- Für eine endgültige Impfempfehlung fehlen der Ständigen Impfkommission noch Daten zu den neu entwickelten Corona-Impfstoffen.
- Apotheker aber kritisieren ein weiteres Problem.
- Und das Bundesgesundheitsministerium stellt einen Fehler in seiner Corona-Kampagne fest.
Nach der Zulassung von an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffen spricht sich die Ständige Impfkommission (Stiko) für deren bevorzugten Einsatz bei Auffrischimpfungen aus. Das Gremium bleibt allerdings bei der bisherigen Linie, zweite COVID-19-Booster nur bestimmten Gruppen wie Menschen ab 60 Jahren ans Herz zu legen. Das geht aus einer Stiko-Mitteilung vom Dienstag zu einem Beschlussentwurf hervor.
Das bedeutet, dass zum Beispiel Viertimpfungen nach Auffassung des Gremiums weiterhin nur für bestimmte Gruppen als nötig erachtet werden, wie etwa Menschen ab 60 Jahren, Bewohner von Pflegeheimen und Personal im Gesundheits- und Pflegebereich. Geraten wird in der Regel zu einem Abstand von sechs Monaten zur vorherigen Impfung oder Infektion. Für die Grundimmunisierung, also die ersten beiden Impfdosen, sind die Omikron-Präparate nicht zugelassen.
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Endgültige Empfehlung der Stiko folgt
Immungesunde Menschen unter 60 Jahren mit drei Impfungen bräuchten die Viertimpfung in der Regel zunächst nicht, sagte Stiko-Mitglied Christian Bogdan.
In den vergangenen Wochen sind in der Europäischen Union mehrere fortentwickelte Corona-Impfstoffe zugelassen worden. Sie tragen der seit Monaten vorherrschenden Omikron-Variante Rechnung. Möglich ist der Einsatz bei Menschen ab zwölf Jahren als Auffrischimpfung. Es geht um an die Sublinie BA.1 angepasste Präparate sowie um einen noch etwas neueren BA.4/BA.5-Impfstoff. Neben Omikron wird mit den neuen Vakzinen auch das ursprüngliche Coronavirus berücksichtigt. Ziele sind eine bessere Immunantwort gegen Omikron und eine Auffrischung in Bezug auf den sogenannten Wildtyp.
Die Nachfrage nach Corona-Impfungen zieht aufgrund der neuen Impfstoffe wieder an. "Die neue Bestellmöglichkeit des Impfstoffs BA.1 hat zu sechsmal höheren Bestellungen geführt als in den Vorwochen", sagte der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, der "Rheinischen Post" vom Dienstag. Gebremst werde die Nachfrage allerdings dadurch, dass die endgültige Empfehlung der Stiko zu den neuen Präparaten fehle.
Auf die häufige Frage, welches dieser neuen Präparate Impfwillige nehmen sollten, kommt von der Stiko nichts Konkretes: Der Beschlussentwurf bezieht sich sowohl auf den BA.1- als auch auf den BA.4/BA.5-Impfstoff. Beide lösten verglichen mit den bisherigen mRNA-Impfstoffen eine verbesserte Antikörperantwort gegenüber verschiedenen Omikron-Varianten aus, hieß es. Hinzu kämen gleichbleibend gute Antworten gegen die Variante aus der frühen Phase der Pandemie. Entscheidend sei, dass sich Menschen überhaupt impfen ließen und insbesondere den Empfehlungen zur Auffrischung folgten. Auch die bisherigen Impfstoffe könne man verwenden.
Apothekerverband kritisiert Fehlen von digitalem Zertifikat
Der Apothekerverbandschef kritisierte zudem, dass es für die neuen Impfstoffe noch kein digitales Zertifikat gibt. "Bislang haben Ärzte und Apotheker den Bürgern das Impfzertifikat als QR-Code oft mitgegeben. Bei einer Impfung mit den neuen Vakzinen BA.1 und BA.4/5 ist das aus technischen Gründen noch nicht möglich", sagte Preis.
In der IT-Maske seien diese Impfstoffe aufgrund fehlender EU-Spezifikationen derzeit noch nicht eingetragen. Daher müssten Bürgerinnen und Bürger "den manuellen Eintrag aus dem gelben Impfbuch später als Zertifikat nachtragen lassen, etwa in Apotheken". Der neue, an die BA.4/5-Variante angepasste Impfstoff soll kommende Woche in Arztpraxen und Impfstellen zur Verfügung stehen.
Der Stiko fehlen entscheidende Daten zu einem Präparat
Die Stiko nehme in ihrem Beschluss keine Unterscheidung zwischen den BA.1-Impfstoffen und dem neueren BA.4/BA.5-Präparat vor, erklärte Bogdan. Schwierig für das Expertengremium war demnach die relativ dünne Datenlage. Insbesondere betrifft dies das neuere BA.4/BA.5-Präparat – die Stiko sei "nicht besonders glücklich", dass hierzu noch keine Daten aus Studien an Menschen vorliegen, sagte Bogdan. Trotz dieses Schwachpunkts schätze man die neuen Präparate als "sicher und gut verträglich" ein, hieß es. Und da BA.1 und BA.4/BA.5 vergleichsweise eng verwandt sind, liegen nur noch kleine Unterschiede zwischen diesen beiden Präparaten.
Für die Zulassung stützten sich Behörden im Kern auf Daten aus Versuchen an Mäusen, aber etwa auch auf Erkenntnisse zu den Vorläuferimpfstoffen. Fachleute sprechen beim BA.1-Impfstoff im Vergleich zu BA.4/BA.5 von der besseren Datenlage, hierzu gebe es Erkenntnisse aus Untersuchungen am Menschen. Für den BA.1-Impfstoff kann zum Beispiel sprechen, dass mit ihm bereits der große Sprung in der Virusentwicklung seit der ursprünglichen Variante abgedeckt ist.
Verschiedene Puzzlesteinchen hätten verknüpft und Analogieschlüsse gezogen werden müssen, bemängelte auch Stiko-Mitglied Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin vom Uniklinikum Freiburg. Aber man müsse mit dem leben, was man habe. Bogdan betonte, dass angesichts der umfangreichen Erfahrung mit den bisherigen COVID-19-Impfstoffen nicht zu erwarten sei, dass man in ein Problem hineinlaufen werde. Trotzdem: Ausdrücklich rief das Gremium die Impfstoffhersteller auf, sogenannte Postmarketing-Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit ihrer neuen Produkte zu liefern und zu veröffentlichen.
Corona-Ende nicht in Sicht
Aus Deutschland eliminieren lasse sich das Virus auch mit den angepassten Impfstoffen nicht, sagte Bogdan. Das Impfziel sei, schwere Erkrankungen, Krankenhausbehandlungen und Tod infolge von Corona-Infektionen zu verhindern. Es sei hingegen nicht realistisch anzunehmen, dass sich sämtliche harmloseren Infektionen vermeiden ließen. Mittlerweile sei eine Situation erreicht, in der "eine sehr gute Basisimmunität in der Bevölkerung" existiere.
Nach Einschätzung des Expertengremiums dürften insbesondere Menschen, die sich im Zuge der Omikron-Welle seit Ende 2021 nicht mit Corona angesteckt haben, von einer Auffrischung mit einem fortentwickelten Impfstoff profitieren. Wer aber kürzlich bereits gemäß der bisherigen Empfehlung eine Auffrischimpfung mit den herkömmlichen Präparaten erhalten habe, benötige "keine gesonderte Extra-Impfdosis mit einem angepassten Impfstoff".
Immungesunde Menschen unter 60 mit den empfohlenen drei Impfungen bräuchten erst einmal keine Viertimpfung, sagte Bogdan. Auch eine durchgemachte Infektion sei hierbei wie eine Impfung zu bewerten.
Der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin berichtete am Dienstag bereits von wieder mehr durchgeführten PCR-Tests auf Sars-CoV-2: Man stehe am Anfang einer sich verändernden Infektionslage, hieß es.
Expertinnen und Experten raten: Nicht auf neueren Impfstoff warten
Der Rat von Fachleuten lautet, im Fall einer fälligen Auffrischung verfügbare Präparate zu nutzen und den Schritt nicht in Hinblick auf einen vermeintlich besseren, neueren Impfstoff aufzuschieben. Sonst laufe man Gefahr, in der Zwischenzeit zu erkranken. Trotz der geplanten Empfehlung können auch die bisherigen COVID-19-Impfstoffe weiter benutzt werden. Bogdan betonte, alle vorhandenen Impfstoffe schützten sehr gut vor schweren Krankheitsverläufen. Mit den neuen Präparaten gehe es darum, sich für eventuell künftig auftretende weitere Sublinien von Omikron aufzustellen.
Wie gut die neuen Impfstoffe am Ende abschneiden, dürfte auch von den kommenden Virusvarianten abhängen. Das lässt sich aber kaum vorhersehen. Derzeit verursachen BA.4 und BA.5 nach Daten aus einer Stichprobe den allergrößten Teil der Infektionen bundesweit, wohingegen BA.1 schon länger keine Rolle mehr spielt.
Fachleute wie die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk, zeigten sich zuletzt aber optimistisch: Das Virus habe sich im bisherigen Verlauf der Pandemie zwar immer wieder verändert, allerdings nicht in so starkem Umfang, dass das Immunsystem von Geimpften und Genesenen es gar nicht mehr erkennt.
Das Gesundheitsministerium korrigiert Angaben in der Corona-Kampagne
Derweil musste das Bundesgesundheitsministerium seine eigenen Angaben in der aktuellen Corona-Aufklärungskampagne korrigieren. In der Anzeige, die in den vergangenen Tagen in mehreren Tageszeitungen erschien und die auch im Internet veröffentlicht wurde, hieß es ursprünglich: "Etwa 10 Prozent der in Deutschland erkrankten Personen werden aufgrund eines schweren COVID-19-Verlaufs im Krankenhaus behandelt." Am Dienstag teilte das Ministerium dazu mit, dass dieser Anteil aktuell "deutlich niedriger" liege – und zwar zwischen vier und fünf Prozent.
Das Ministerium sprach von einer "missverständlichen" Angabe, die auf einen "redaktionellen Fehler" zurückzuführen sei. Die Kampagne sei inzwischen korrigiert worden. Die aktuelle Kampagne des Ministeriums läuft unter dem Motto "Fakten-Booster". (dpa/AFP/hau)
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