Sobald die Temperaturen steigen, treibt es uns wieder nach draußen. Doch wer zwischen März und Oktober durch heimische Felder und Wälder streift, sollte sich vor einem Tier in Acht nehmen: Ixodes ricinus, dem gemeinen Holzbock. Die drei Millimeter große Zecke gilt als gefährlichstes Tier Deutschlands – denn mit jedem Stich können FSME-Viren und andere Erreger übertragen werden, die schwere Infektionen auslösen. Und obwohl es seit Jahren eine Impfung gegen das FSME-Virus gibt, nehmen die Infektionsfälle in den vergangenen Jahren zu.
Was ist das FSME-Virus?
Das FSME-Virus zählt wie das Dengue- oder Gelbfieber-Virus zu den Flaviviren und kann beim Menschen die potenziell tödliche Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auslösen, eine Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute. Es gibt drei relevanten Subtypen des Virus, die sich vor allem in ihrer geografischen Ausbreitung unterscheiden. In Deutschland, Österreich und der Schweiz dominiert der europäische Subtyp. Daneben gibt es einen fernöstlichen und einen sibirischen Subtyp, die im baltischen Raum und an der finnischen Küste sowie im asiatischen Raum vorkommen. Vereinzelt können die beiden Subtypen durch Zugvögel auch zu uns gelangen.
Hauptwirt des europäischen Subtyps sind vor allem kleine Nagetiere wie Mäuse, aber auch Vögel und Wild. Unter ihnen zirkuliert und vermehrt sich das Virus, ohne dass die Tiere erkranken. Der Sprung zum Menschen gelingt dem FSME-Virus durch die Schildzecke Ixodes ricinus: Saugt sie das Blut eines infizierten Tieres, trägt auch sie den Erreger ein Leben lang in sich – und gibt es bei jedem Stich weiter. Neben FSME-Viren kann Ixodes ricinus auch Borrelien und Anaplasmen übertragen. Eine Ansteckung mit FSME durch den Verzehr von Rohmilch infizierter Ziegen, Schafe und Kühe wurde bereits dokumentiert, ist nach RKI-Angaben jedoch selten. Von Mensch-zu-Mensch kann das FSME-Virus nicht übertragen werden.
Welche Risikogebiete gibt es?
Ab Temperaturen von ca. acht Grad werden Zecken aktiv, in milden Wintern auch ganzjährig. Vor allem im Frühling und Herbst ist Zecken-Hochsaison – doch das Risiko, sich mit FSME zu infizieren, ist nicht überall in Deutschland gleich hoch. Bayern und Baden-Württemberg, Südhessen, Sachsen sowie der Südosten von Thüringen und Brandenburg gelten als Risikogebiete. In diesen Regionen ist das Virus endemisch. Hinzu kommen einzelne kleinere Risikogebiete in weiteren Bundesländern. Auch Österreich, die Schweiz, Polen, Tschechien und die Slowakei gelten als Endemiegebiete des europäischen Subtyps.
Das RKI veröffentlicht regelmäßig eine aktuelle Liste der Endemiegebiete in Deutschland. Ein Landkreis wird als Risikogebiet eingestuft, wenn die gemeldeten FSME-Fälle in einem Zeitraum von fünf Jahren höher liegt als bei einer Inzidenz von einer Erkrankung auf 100.000 Einwohner. In Deutschland gelten rund 180 Kreise als FSME-Risikogebiete – und ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Experten beobachten seit einigen Jahren, dass sich FSME-infizierte Zecken auch in nördlicheren Gebieten ausbreiten.
Doch auch in Risikogebieten führt nicht jeder Zeckenstich zu einer Übertragung der Viren. Tatsächlich sind laut Studien selbst in Risikogebieten nur 0,1 bis fünf Prozent der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert und es kommt relativ selten zu Infektionen. Dennoch sollte man sich vor einer Ansteckung schützen, denn die Folgen können schwerwiegend sein.
Welche Symptome treten bei einer FSME-Infektion auf?
Gelangt das Virus in die Blutbahn, vermehrt es sich zunächst am Ort der Infektion. Sieben bis 14 Tagen nach dem Zeckenstich treten zunächst grippeähnliche Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auf, wobei FSME-Infektionen in rund 70 bis 95 Prozent der Fälle asymptomatisch verlaufen, ohne dass die Betroffenen bemerken, dass sie sich infiziert haben.
Im schlimmsten Fall kommt es wenige Tage nach Abklingen der ersten Krankheitsanzeichen zu einer zweiten Welle mit neurologischen Symptomen: Über das Lymphsystem können sich die Viren weiter bis zum Zentralen Nervensystem (ZNS) ausbreiten und Zellen im Gehirn und Rückenmark befallen. Die Patienten leiden unter erneutem Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen. Bei etwa der Hälfte der Infizierten tritt während der zweiten Welle eine Hirnhautentzündung (Meningitis) auf, bei rund 40 Prozent kommt es zu einer Entzündung des Gehirns (Meningoenzephalitis), verbunden mit starken Bewusstseinsstörungen und Lähmungen, die bis hin zur Atemlähmung reichen können. Bei rund einem Prozent der Erkrankten führt eine FSME-Infektion zum Tod.
Solche schwereren Verläufe werden generell häufiger bei Erwachsenen als bei Kindern beobachtet und es besteht die Gefahr von bleibenden neurologischen Schäden. Bei Menschen über 60 Jahren ist das Risiko besonders hoch. Auch Monate nach der Infektion können noch Lähmungen, Anfälle oder andauernden Kopfschmerzen auftreten. In den meisten Fällen heilt die Infektion jedoch vollständig und ohne Folgeschäden aus. Wer eine FSME-Infektion durchgemacht hat, ist immun gegenüber allen FSME-Subtypen.
Eine spezifische antivirale Therapie zur Behandlung von FSME gibt es nicht. Die Behandlung erfolgt symptomatisch, zum Beispiel durch den Einsatz von Schmerzmitteln. In schweren Fällen kann eine intensivmedizinische Behandlung mit Infusionen und bei Atemlähmung eine kontrollierte Beatmung notwendig werden. Akute Infektion mit dem FSME-Virus sind namentlich meldepflichtig.
Wie kann ich mich vor einer Infektion schützen?
Am besten kann man sich vor FSME-Infektion schützen, indem man Zeckenstiche verhindert. Bei Wanderungen und Spaziergängen durch Sträucher und hohes Gras können festes Schuhwerk, lange Hosen, die in die Socken gesteckt werden, und langärmelige Oberteile das Risiko reduzieren. Auch Insektenschutzmittel, die zum Beispiel den Wirkstoff Icaridin enthalten, schützen gut vor Zeckenbefall.
Wichtig ist, nach Aktivitäten im Freien den Körper gründlich nach Zecken abzusuchen. Da der Saugakt mehrere Tage dauert, suchen sich Zecken eine möglichst geschützte Stelle am Körper aus, um in Ruhe Blut saugen zu können. Daher lassen sich Zecken häufig am Kopf und Hals, in den Achseln, Ellenbeugen, Kniekehlen sowie im Bauchnabel und im Genitalbereich nieder.
Hat sich eine Zecke festgebissen, sollte sie umgehend mit einer dünnen Pinzette oder einer speziellen Zeckenzange oder Zeckenkarte entfernt werden. Sobald die Zecke damit beginnt, Blut zu saugen, können FSME-Viren übertragen werden. Die Zecke dabei möglichst nah an der Hautoberfläche greifen – immer am Kopf der Zecke, niemals am Körper - und langsam und gerade herausziehen. Die Einstichstelle sollte danach desinfiziert werden.
Impfung bietet sehr guten Schutz vor FSME
Einen sehr guten Schutz vor FSME bietet auch die Impfung mit einem der beiden zugelassenen Vakzine FSME-Immun oder Encepur, die gegen alle drei Subtypen des FSME-Virus wirksam sind. Für die Grundimmunisierung sind drei Impfstoffdosen erforderlich, danach ist im Abstand von drei bis fünf Jahren eine Auffrischung notwendig.
Nach der dritten Impfdosis besteht ein 99-prozentiger Schutz vor FSME, der für mindestens drei Jahre anhält. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung für Personen, die in Risikogebieten leben oder reisen und Personen in der Forst- und Landwirtschaft, die berufsbedingt einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Kinder können bereits ab einem Jahr gegen FSME geimpft werden.
Obwohl es seit den 1980er-Jahren in Deutschland einen Impfstoff gibt, nehmen die Infektionsfälle zu. 2022 wurden laut RKI 546 FSME-Erkrankungen in Deutschland registriert - 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Zwei Todesfälle wurden 2022 in dem Zusammenhang mit FSME verzeichnet. 98 Prozent der Erkrankten waren nicht oder unvollständig geimpft. Nach Ansicht des RKI könnte sich ein Großteil der FSME-Infektionen und damit auch Todesfälle durch eine höhere Impfquote verhindern lassen.
Können sich auch Haustiere mit FSME infizieren?
Auch Haustiere wie Hunde und Katzen können sich Zecken einfangen und mit dem FSME-Virus infiziert werden. Bei Hunden kann sich die Krankheit durch Fieber, Lethargie und Steifheit äußern. In seltenen Fällen kann das Virus das Nervensystem angreifen und zu Krampfanfällen, Zittern und Lähmungen führen. Auch Katzen sind für das Virus anfällig, jedoch verläuft die Infektion in der Regel milder und selten tödlich.
In ihrem Fell können Haustiere Zecken in die Wohnung tragen und dort, sobald sie wieder hungrig sind, auch Menschen befallen. In Labortests konnten Zecken bis zu zehn Jahre ohne Nahrung überleben. Auch beim Streicheln können Zecken vom Haustier auf den Menschen übergehen. Haustierbesitzer sollten vorbeugende Maßnahmen wie zum Beispiel Zeckenhalsbänder anwenden und ihre Haustiere regelmäßig auf Zecken untersuchen, um das Infektionsrisiko bei sich und ihren Haustieren zu verringern.
Verwendete Quellen:
- RKI-Ratgeber: "Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und verwandte Virusenzephalitiden (TBE, tick-borne encephalitis)"
- RKI: "FAQ zur FSME-Impfung"
- RKI: "Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Zecken, Zeckenstich, Infektion"
- RKI: "Karte der FSME-Risikogebiete"
- ECDC: "Epidemiology of tick-borne encephalitis in EU and EFTA”
- Thieme: "Frühsommer-Meningoenzephalitis bei einem Hund”
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