Hormone sind biochemische Botenstoffe und regulieren wichtige Prozesse im Körper. Nebenbei dienen sie auch als wunderbare Ausrede für Frauen, wenn sie scheinbar grundlos in Tränen ausbrechen oder mal wieder besonders zickig reagieren. Aber sind Hormone wirklich schuld an Stimmungsschwankungen?
Viele Frauen leiden unter dem Prämenstruellen Syndrom (PMS) und sind in der zweiten Hälfte ihres Monatszyklus gereizt, angespannt oder sogar depressiv verstimmt. Laut der aktuellen "Apotheken Umschau" werden Hormone als Auslöser für diese Symptome allerdings überschätzt.
"Viele Faktoren beeinflussen die Lebensqualität."
Das Prämenstruelle Syndrom lässt sich laut einer Metaanalyse verschiedener Studien zum Thema nicht eindeutig belegen, heißt es in dem Heft. Auch vermeintlich typische Wechseljahrsbeschwerden wie Niedergeschlagenheit konnten - im Gegensatz zu rein körperlichen Symptomen wie Hitzewallungen und Schweißausbrüchen - in einer Studie nicht nachgewiesen werden.
Haben Hormone damit auch als Sündenbock für generelle Stimmungsschwankungen ausgedient? Prof. Dr. Günter Stalla, Leiter der Endokrinologie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, sieht das etwas differenzierter. Man könne zwar nicht alles, was man als Stimmung oder Missstimmung an sich wahrnimmt, hormonell ableiten: "Viele Faktoren beeinflussen die Lebensqualität."
Dass Frauen generell stärker unter Stimmungsschwankungen leiden als Männer, lasse sich aber durchaus auf Hormone zurückführen. "Eine Frau hat im Gegensatz zum Mann extreme hormonelle Schwankungen. Der Mann hat einen Tag-Nacht-Rhythmus durch das Testosteron, das in Stresssituationen moduliert wird." Bei der Frau komme dazu noch die Dynamik des Zyklus: Das Östrogen steigt in der Zyklusmitte, das Progesteron in der zweiten Zyklushälfte. "Das ist biologisch so gewollt – und hat mit Sicherheit Effekte auf Körper und Stimmung. Da habe ich keinen Zweifel."
Manche Frauen reagieren empfindlicher auf hormonelle Veränderungen
In der Schwangerschaft habe der Östrogenanstieg bei den meisten Frauen einen stimmungssteigernden Effekt. Der rasche Abfall nach der Geburt ziehe dann oft eine Stimmungsverschlechterung nach sich. "Bei denjenigen, die per se zu einer depressiven Symptomatik neigen, kann das zur schweren Wochenbettdepression führen", sagt Stalla.
Bezüglich des PMS geht Stalla ebenfalls davon aus, dass vor allem Frauen betroffen sind, die generell stärker unter Stimmungsschwankungen leiden. Ausschließlich auf Hormone lassen sich die Beschwerden nicht immer zurückführen: "Es gibt Frauen, die dieses Beschwerdemuster haben, ohne dass man die hormonellen Veränderungen ausgeprägt nachweisen könnte."
Haben Frauen starke Beschwerden, empfiehlt er, einen Zykluskalender zu führen, in den sie Gewichtsschwankungen, Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen, Spannungsgefühl der Brust und Blutungen eintragen. Ein Besuch beim Endokrinologen könne dann abklären, ob sich die Symptome durch hormonelle Veränderungen lindern lassen.
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