Die Erkältung oder Grippe sollte längst überstanden sein, doch der Husten will einfach nicht verschwinden? Forschende sprechen in einem solchen Fall von Long Cold oder Long Flu. Welche Ursachen es dafür geben könnte, erklärt ein HNO-Arzt.

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Nach einer Infektion mit dem Coronavirus leiden manche Betroffene noch länger unter Symptomen wie Müdigkeit, Atemnot oder Gedächtnisproblemen. Diese Langzeitfolgen werden als Long Covid bezeichnet.

Doch auch nach einer Grippe oder Erkältung kann es vorkommen, dass man längere Zeit mit Symptomen zu kämpfen hat. Mit diesen Langzeitfolgen hat sich ein Forschungsteam aus Großbritannien beschäftigt. In einer Studie mehrerer britischer Universitäten, die im Fachmagazin "The Lancet" publiziert wurde, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Long Cold oder Long Flu – also einem "langen Schnupfen" oder einer "langen Grippe".

Informationen zur Studie

  • Für die Studie analysierten die Forscherinnen und Forscher Angaben von 10.171 Menschen aus Großbritannien, die an der "Covidence UK"-Studie teilgenommen hatten. Sie sollten über 16 Symptome berichten, die häufig bei lang andauerndem Covid auftreten, darunter Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Schmerzen und Schwindelgefühl. Im Anschluss wurden die Angaben von drei Personengruppen verglichen: Personen, die über Covid berichtet hatten, Personen, die über eine andere akute Atemwegsinfektion berichtet hatten (aber negativ auf Corona getestet worden waren), und Personen, die über keine der beiden Infektionen berichtet hatten.

Auch vor Corona gab es schon lange Verläufe von Grippe und Erkältungen

Laut der britischen Studie zählen zu den Langzeitfolgen nach einer Erkältung oder Grippe Husten, Magenschmerzen und Durchfall. Auch mehr als vier Wochen nach einer Infektion würden manche noch darunter leiden, heißt es. Die Langzeitfolgen nach einer Erkältung waren sehr ähnlich zu jenen, die nach einer Corona-Infektion auftraten.

"Wichtig ist, dass wir keine Anhaltspunkte dafür haben, dass die Symptome einer langen Erkältung genauso schwerwiegend oder lang anhaltend sind wie die bei Long Covid", betont Hauptautorin Giulia Vivaldi in einem Artikel zur Studie.

"Ich kann Long Covid nachvollziehen und Long Cold gibt es sicherlich auch."

Bernhard Junge-Hülsing, Facharzt für HNO-Heilkunde

Bernhard Junge-Hülsing ist Facharzt für HNO-Heilkunde. Er hat die britische Studie gelesen und kann die Ergebnisse nachvollziehen, wie er im Interview mit unserer Redaktion sagt. Schon vor Corona habe es lange Verläufe bei Erkältungen und Grippe gegeben, "allerdings viel seltener".

"Ich kann Long Covid nachvollziehen und Long Cold gibt es sicherlich auch", sagt Junge-Hülsing. "Es gibt wohl tatsächlich Menschen, die eine Grippe haben, und das wochenlang."

Nach einem grippalen Infekt lange krank? Das kann viele Ursachen haben

Wenn sich die Erkältung oder Grippe in die Länge zieht, kann das verschiedene Ursachen haben. Laut dem Experten sollte eine normale Infektion nach 10 bis 15 Tagen auskuriert sein. "Geht es einem dann noch nicht besser, empfehle ich, zum Arzt zu gehen und zu testen, ob man Corona hatte", rät Junge-Hülsing. Das sei der einzige Weg, zwischen Erkältung, Grippe und Corona zu unterscheiden. Denn die Symptome überschneiden sich.

Neben Corona könne es aber noch weitere Ursachen geben, warum der grippale Infekt nicht verschwinden will:

  • Zeckenerkrankung: Symptome einer Zeckenerkrankung wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) könnten mit einer Grippe verwechselt werden.
  • Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus: "Wenn jemand in seiner Jugend Pfeiffersches Drüsenfieber hatte und dann an einem schweren Infekt erkrankt, könnte das der Fall sein", so Junge-Hülsing.
  • Allergien: Oft litten Menschen besonders unter ihrer Infektion, wenn sie beispielsweise eine Hausstaubmilben-Allergie hätten.
  • Chronischer Husten
  • Reflux: Dabei handelt es sich um einen Rückfluss der Magensäure. Der Experte rät: "Wer husten muss, wenn er sich hinlegt oder immer wieder morgens Halsweh hat, sollte ein Reflux in Betracht ziehen. Dazu kommt es zum Beispiel, wenn man häufig Bonbons lutscht oder Nasenspray nimmt."

Auch Depressionen können für lange Krankheitsverläufe verantwortlich sein

Gerade mit Beginn des Winters seien Depressionen "ein wesentlicher Punkt", weshalb sich eine Erkältung oder Grippe in die Länge ziehen könne, sagt der Arzt. "Depressionen können unser Immunsystem senken. Das bedeutet: Wenn man depressiv ist, kann der Körper schlechter Infektionen bekämpfen."

Chronische Verläufe - ob das Schmerzen seien oder Long Covid – hätten häufig auch etwas mit Depressionen zu tun. So sei etwa erwiesen, "dass zum einen Depressionen empfänglicher machen für chronische Verläufe und zum anderen chronische Verläufe auch Depressionen verstärken oder auslösen können".

Richtiges Verhalten während und nach einer Erkältung

"Wer eine Grippe hat oder erkältet ist, benötigt Schlaf. Wer nicht gut und genug schläft, hat keine gute Abwehr", appelliert Junge-Hülsing. Außerdem wichtig sei, dass man genug trinkt und sich ausgewogen ernährt. "Wer vor allem Kohlenhydrate zu sich nimmt und kaum Vitamine, dem fehlen Vitamin C und andere sogenannte Radikalfänger, die Infektstoffe aus dem Körper fischen", gibt der Arzt zu bedenken.

Wer mit einer Grippe durchhängt, ist schnell geneigt, zu Antibiotika zu greifen. Davon rät der HNO-Arzt jedoch ab: "Gerade, wenn man länger krank ist, ergibt es oft keinen Sinn, ein Antibiotikum zu geben, weil die bakteriellen Infekte vom Körper abgeräumt werden können. Jemand, der immunkompetent ist und kein hohes Fieber hat, sollte mit Streptokokken selbst klarkommen."

Und wenn die Erkältung oder Grippe überstanden ist? Bei Corona lautet die Empfehlung, vier bis sechs Wochen nach der Infektion keinen Sport zu treiben. Laut dem Experten gilt das allerdings nicht bei einem grippalen Infekt.

"Die ganz schlimme Grippewelle ist noch nicht durch. Ich schätze, sie wird ihren Höhepunkt im Dezember oder Januar erreichen - wenn er überhaupt kommt."

Bernhard Junge-Hülsing, Facharzt für HNO-Heilkunde

Ein weiterer Tipp: Auch wenn derzeit viele Menschen erkältet sind oder eine Grippe haben, lohnt sich eine Grippe-Impfung jetzt noch. "Über 60-Jährige und Menschen, die mit vielen anderen zusammenkommen, sollten sich impfen lassen", rät der HNO-Arzt. Denn: "Die ganz schlimme Grippewelle ist noch nicht durch. Ich schätze, sie wird ihren Höhepunkt im Dezember oder Januar erreichen - wenn er überhaupt kommt."

Das ist schließlich nicht jedes Jahr gleich. Der Experte erklärt: "Manchmal verläuft die Grippe-Saison glimpflich. Wenn Grippe-Viren besonders widerstandsfähig, also virulent sind, werden viele eine Grippe bekommen. Wenn die Viren allerdings nicht widerstandsfähig sind, werden sie nicht so schnell weitergegeben und der Infekt erlischt."

Über den Gesprächspartner

  • Dr. med. Bernhard Junge-Hülsing ist Facharzt für HNO-Heilkunde. Er betreibt eine Praxis im bayerischen Starnberg. Er fungiert als Landesvorsitzender des Bayerischen Berufsverbandes der HNO-Ärzte und Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer.

Redaktioneller Hinweis

  • Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.

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