- Während über seine EU-Zulassung derzeit noch entschieden wird, sorgt der Corona-Impfstoff des Herstellers Novavax schon für Schlagzeilen.
- Oftmals wird er als sogenannter Totimpfstoff bezeichnet und gilt als "Hoffnungsträger" in der Impfkampagne.
- Wir erklären, wo NVX-CoV2373 schon zum Einsatz kommt und was ihn für Menschen interessant machen könnte, die bisher die Corona-Impfung abgelehnt haben.
In Indonesien und auf den Philippinen kommt NVX-CoV2373, der Corona-Impfstoff des US-Pharmaunternehmens Novavax, bereits zum Einsatz. Aktuell beantragt Novavax eine Zulassung etwa in Australien und Großbritannien – und in der EU. Die Entscheidung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wird für die nächsten Tage oder Wochen erwartet. Sollte die EMA das Vakzin zulassen, könnte es innerhalb kurzer Zeit EU-weit verabreicht werden.
In mehreren Medien (teilweise auch bei uns) wurde Novavax als Totimpfstoff bezeichnet. In Totimpfungen sind inaktivierte, abgetötete Krankheitserreger oder Bestandteile enthalten, die sich nicht weiter vermehren und keine Krankheiten auslösen können. Diese Form der Impfung ist schon lange etabliert - etwa gegen Tetanus oder Polio - und gilt daher bei impfskeptischen Menschen häufig als bessere Alternative zur neueren mRNA- und Vektorimpfung.
Diverse Experten mahnten allerdings an, dass es sich bei NVX-CoV2373 nicht um einen Totimpfstoff, sondern um einen sogenannten rekombinanten Proteinimpfstoff handle - darunter der Impfstoffforscher Florian Krammer. Deutschlands neuer Gesundheitsminister
Allerdings: Auf der Website des Robert-Koch-Instituts heißt es allgemeiner, dass die aktuell verwendeten COVID-Impfstoffe mit Totimpfungen gleichzusetzen seien, da sie "keine vermehrungsfähigen Viren enthalten". Nach dieser Definition könnte man auch den Impfstoff von Novavax zumindest allgemeinsprachlich als Totimpfstoff bezeichnen.
Ist die Klasse der Totimpfstoffe denn klar abgegrenzt?
Nein. Der Begriff wird nicht einheitlich verwendet. Denn der entscheidende Bestandteil, der die Immunantwort auslösen soll, wurde nicht einem echten Virus entnommen, sondern ist ein gentechnisch hergestelltes Virus-Protein. Andererseits könnte man auch sagen, alle Impfstoffe ohne lebende - also vermehrungsfähige - Erreger sind Totimpfstoffe. "Der Name ist falsch", sagt Watzl. "Alle bisher zugelassenen COVID-19-Impfstoffe sind Totimpfstoffe." Was viele mit Totimpfstoff meinten, seien "Impfstoffe, die auf Prinzipien beruhten, die man auch bei anderen Impfungen anwendet".
Was ist ein rekombinanter Proteinimpfstoff - und wie unterscheidet er sich von anderen Impfstoffarten?
Bei den Corona-Impfstoffen spielen Proteine eine wichtige Rolle - besonders das Spike-Protein des Coronavirus, das an menschliche Zellen andockt und sie befällt. Um sich gegen das Virus zu verteidigen, muss unser Abwehrsystem dieses Spike-Protein erkennen, binden und es unschädlich machen.
Der Impfstoff NVX-CoV2373 basiert auf zahlreichen winzigen Kopien dieses Spike-Proteins. Dazu wird das Virusprotein in Insektenzellen vermehrt und mit Lipidnanopartikeln kombiniert. Das Ergebnis sind im Labor hergestellte, sogenannte virusähnliche Partikel. Nach der Impfung liest unser Immunsystem die künstlichen Nanopartikel als "echtes" Virus - und bildet Immunabwehrzellen und Antikörper, die es gezielt bekämpfen.
Der Unterschied zu anderen Impfstoffarten ist also, dass eine künstlich erzeugte Kopie des Virus verabreicht wird. mRNA- und Vektor-Impfstoffe enthalten hingegen - vereinfacht ausgedrückt - den Bauplan für das Spike-Protein. Dieses wird im Körper nachgebaut und dann vom Immunsystem bekämpft.
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Wie hoch ist der Impfschutz von NVX-CoV2373?
Im Oktober hatte das Pharmaunternehmen Novavax die Ergebnisse seiner Phase-3-Studie veröffentlicht. Diese Untersuchungen sind üblich, um die Wirksamkeit und Nebenwirkungen eines Medikaments in einem größeren Umfang und mit Kontrollgruppe zu überprüfen. Hier nahmen 30.000 Erwachsene in den USA und Mexiko teil.
Die Wirksamkeit des Vakzins, das zweimal im Abstand von 21 Tagen verabreicht wird, lag bei dieser und früheren Studien bei über 90 Prozent. Damit kann es beispielsweise mit den Werten von Comirnaty von Biontech mithalten. Mit Blick auf die neue Variante Omikron gab Novavax bekannt, bereits mit Untersuchungen zum Schutz des Impfstoffes und etwaigen Anpassungen begonnen zu haben.
Welche Impfstoffe gegen COVID-19 könnten noch bald kommen?
Mehrere Produkte sind im sogenannten Rolling-Review-Verfahen der EMA schon in der Begutachtung, obwohl noch nicht alle Teile des Zulassungsantrags vorliegen. Die Impfstoffe der Hersteller Sinovac und Valneva (Frankreich) enthalten beispielsweise abgetötete Coronaviren.
Lohnt es sich, auf andere Impfstoffe zu warten?
"Wenn sich jemand nur mit einem solchen Impfstoff impfen lassen will, dann ist das immer noch besser als komplett ungeimpft zu sein", sagt Immunologe Watzl. Darauf zu warten hält er aber für unklug. "Wer auf diese Impfstoffe wartet, ist noch längere Zeit ungeschützt. Daher: Lieber jetzt impfen als warten." Selbst der Chef des Herstellers Valneva hält von Zögern wenig. "Ich rate niemandem, auf unseren Impfstoff zu warten", sagte Thomas Lingelbach, Geschäftsführer des französischen Biotechnologieunternehmens, dem "Spiegel". "Das wäre ethisch inakzeptabel." Er empfehle Verwandten und Bekannten zurzeit Impfstoffe der anderen Hersteller und habe sich selbst kürzlich mit dem mRNA-Produkt von Biontech boostern lassen.
Verwendete Quellen:
- Novavax: Recombinant Nanoparticle Vaccine Technology, Stand 15.12.
- Corona Update: Folge 88: Impfmission Impossible, Stand: 11.5.21
- Paul Ehrlich Institut: Antrag auf bedingte Zulassung des COVID-19-Impfstoffs Nuvaxovid von Novavax gestellt, Stand: 17.11.21
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: COVID-19-Impfstoffe – Übersicht über in Europa zugelassene oder im Zulassungsprozess befindliche Impfstofftypen
- Swissmedic: Die verschiedenen Impfstoffarten
- Material der dpa
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