An einem Corona-Impfstoff wird derzeit mit Hochdruck geforscht. Dabei sichern sich reiche Länder schon mal mögliche Präparate durch Vorverträge. Um auch ärmere Länder zu versorgen, fehlen wohl Milliarden. Damit sei niemandem gedient, warnen die WHO und Fachleute.
Es fehlt noch jede Menge Geld, um das international solidarische Projekt für Impfstoffe, Medikamente und Tests gegen das Coronavirus und die Krankheit Covid-19 voranzubringen. Das geht aus Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor.
"Es gibt erhebliche Finanzierungslücken", sagte Caroline Schmutte, Leiterin des Deutschlandbüros des Wellcome Trusts, eine der größten Stiftungen der Welt, der Deutschen Presse-Agentur. Sie kritisierte nationale Alleingänge, etwa große Investitionen in heimische Impfstofffirmen oder Verträge mit diesen Firmen, um sich im Falle eines Erfolgs große Mengen des Impfstoffs vor einem weltweiten Verkauf zu sichern.
Die britische Stiftung unterstützt das Projekt ACT Accelerator der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Es soll Forschung und Entwicklung in drei Säulen beschleunigen - Tests, Medikamente und Impfstoffe - und es soll die faire Verteilung weltweit sicherstellen. Den Bedarf schätzt die WHO über zwölf Monate auf 31,3 Milliarden Dollar (gut 26 Mrd Euro).
Aktuell zu wenig Gelder verfügbar
Nach Angaben der WHO waren bis Mitte August aber erst 2,5 Milliarden Dollar für die drei Säulen fest zugesagt. Über den Einsatz einer weiteren Milliarde Dollar Spendengelder werde mit Gebern noch verhandelt. "Wir gehen aber davon aus, dass nur ein relativ kleiner Anteil schlussendlich an ACT-A-Partner gehen wird", so die WHO. ACT steht für "Access to Covid-19-Tools" (etwa: Zugang zu Covid-19-Instrumenten).
Wenn Staaten überwiegend in einzelne Firmen investierten und sich über Vorverträge die Belieferung mit Impfstoffen sichern, sei das problematisch, sagte Schmutte: "Das könnte Hürden bei der gerechten und bedarfsorientierten Verteilung von Impfstoffen schaffen." Solche Verträge haben viele Länder schon abgeschlossen, darunter Deutschland, die USA und die Schweiz.
Schmutte verweist darauf, dass eine ausgewählte Firma womöglich nie ein erfolgreiches Mittel auf den Markt bringe. Mit Investitionen in die 2017 gestartete gemeinschaftliche Impfinitiative CEPI könne das Risiko gestreut werden. CEPI fördert derzeit neun verschiedene Impfstoffkandidaten gegen das Coronavirus in der ACT-Säule Covax für Impfstoffe. CEPI erhält neben Wohltätigkeitsspenden Geld von Pharmafirmen und rund 20 Ländern, darunter Deutschland, Japan und Großbritannien, nicht aber die USA oder China.
Risikogruppen aller Länder sollten geschützt werden
Nationale Vorbestellungen im großen Stil brächten ohnehin wenig, sagte Schmutte. "Aus unserer Sicht ist es ein Fehlgedanke zu glauben, wenn die ganze Bevölkerung eines einzelnen Landes durchgeimpft ist, sei das Problem gelöst." Zum einen müsse und wolle nicht jeder geimpft werden. Gleichzeitig gebe es in allen Ländern der Welt Menschen, die den Impfstoff besonders dringend brauchten, etwa Pflegekräfte.
Das betont auch der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus: "Sich begrenzte Bestände strategisch und weltweit mit anderen zu teilen ist im nationalen Interesse jedes Landes", sagte er in Genf. "Niemand ist sicher, bis nicht alle sicher sind." Die Pandemie könnte am schnellsten gestoppt werden, wenn alle Risikopersonen weltweit geschützt sein, nicht ganze Bevölkerungen in nur einigen Ländern. "Wir müssen Covid-19-Nationalismus verhindern", sagte der WHO-Chef.
Schmutte lobte die deutsche Regierung, die trotz der Vorverträgen über begrenzte Mengen Impfstoff parallel Geld an internationale Allianzen gebe. Die Bundesregierung habe eine Vorbildfunktion. (kad/dpa)
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