Weltweit hält Peru einen traurigen Rekord, denn nirgendwo sind prozentual mehr Menschen an COVID-19 gestorben als in dem südamerikanischen Land. Weshalb kam es trotz frühzeitigem Lockdown ausgerechnet in Peru zu einer solch hohen Anzahl an Ansteckungen und Todesfällen?

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Laut Johns Hopkins University verzeichnet Peru Stand 17. September 2020 738.020 bestätigte Corona-Fälle und 30.927 Tote. Prozentual zur Bevölkerungsanzahl hat kein Flächenland so viele Corona-Tote wie Peru. In Südamerika gibt es nur in Brasilien mehr Corona-Fälle, allerdings leben dort wesentlich mehr Menschen. Und im Gegensatz zu Brasilien verhängte Peru als eines der ersten Länder Südamerikas im März einen strengen Lockdown. Wie konnte es dennoch zu einer solch enormen Ausbreitung kommen?

Aktuelle Zahlen in Peru

Peru hat rund 32,5 Millionen Einwohner und verzeichnet etwa 950 Todesfälle pro eine Million Einwohner. Mittlerweile starben knapp 31.000 Menschen. Mehr als 10.000 Tote mit Corona-Verdacht sind in der Statistik nicht beinhaltet. Generell muss man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Die Zahlen werden häufig korrigiert, es kommt immer wieder zu Nachbesserungen, und es ist nicht auszuschließen, dass es wesentlich mehr Infizierte und Tote gibt, als bislang bekannt. Grund ist die fehlende Kommunikation mit der Regierung, insbesondere der abgelegenen Regionen.

Entwicklung seit Beginn der Pandemie

Als eines der ersten Länder Südamerikas verhängte Peru im März einen strengen Lockdown. Die Infektionszahlen stabilisierten sich, sodass es im Mai zu ersten Lockerungen kam und die Wirtschaft langsam wieder ansprang. Anfang Juli beendete Peru nach 100 Tagen den nationalen Lockdown.

Aufgrund der wieder gestiegenen Zahlen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, verschärfte Peru nun die Maßnahmen wieder, und es gilt eine sonntägliche Ausgangssperre sowie ein Verbot privater Treffen und Familienfeiern.

Aktuell gilt ein Einreiseverbot für Ausländer bis 30. September 2020, internationale Flüge sind ausgesetzt. Hinweise verdichten sich, dass die Grenzen möglicherweise bis Jahresende geschlossen bleiben. Es gibt für Peru eine Reisewarnung.

Gründe für die hohen Infektionszahlen

In den Ballungszentren gibt es eine hohe Bevölkerungsdichte. Viele Menschen leben in den Armenvierteln in kleinen Hütten, in denen eine Abstandsregelung oder Quarantäne kaum möglich ist. Dass sich mehrere Häuser einen Wasserhahn teilen, ist keine Ausnahme. Rund um Lima in Richtung der Berge gibt es Hüttensiedlungen, die noch nicht einmal über eine Wasserversorgung verfügen, Händewaschen ist so schlichtweg kaum möglich. Der Wasser-Tankwagen kommt oft nicht zu den Siedlungen hoch.

Etwa 70 Prozent der Peruaner haben keine geregelte Anstellung, sondern nur Gelegenheitsjobs, und können es sich nicht leisten, nicht arbeiten zu gehen. Sie haben kaum Ersparnisse, und bleiben sie zu Hause, fehlt das Geld für Nahrungsmittel. Die versprochene Soforthilfe kam bei vielen Peruanern nicht an.

Die Situation in anderen südamerikanischen Staaten

Generell ist Südamerika stark von der Pandemie betroffen, über 600 Tote pro eine Million Einwohner sind kein Einzelfall. Hierzu zählen neben Peru und Brasilien die Länder Chile, Kolumbien, Argentinien, Ecuador, Bolivien, Venezuela, Paraguay und Uruguay. Brasilien, Peru und Chile gehören zu den Top 10 der weltweiten Epizentren.

Brasilien liegt mit 4.419.083 bestätigten Fällen und 134.106 Toten (Johns Hopkins University 17. September 2020) noch vor Peru, hat allerdings mit 209,5 Millionen wesentlich mehr Einwohner. Auch Chile mit 18,73 Millionen Einwohnern wurde vergleichsweise hart getroffen mit 439.287 bestätigten Fällen und über 12.000 Toten. In Chile stiegen die Zahlen anfänglich ähnlich wie in Peru rasant an. Beide Staaten hatten früh drastische Einschränkungen beschlossen. Doch anders als in Peru flachte die Kurve in Chile nach einem Höhepunkt Mitte Juni ab, und die Fallzahlen stabilisierten sich.

Wo stecken sich die Peruaner an?

Aufgrund der beengten Wohnverhältnisse ist es kaum möglich, Abstand zu halten. Viele Peruaner leben in Großfamilien und stecken sich dort gegenseitig an.

Märkte gelten als besonders risikoreich, und selbst während der Ausgangssperre herrschte dort reger Betrieb. Da nur etwa die Hälfte der Peruaner einen Kühlschrank hat, müssen sich die Menschen ihre Lebensmittel täglich auf dem Markt kaufen.

Auch die Minen entwickelten sich zu Ansteckungszentren. Etwa die Hälfte aller infizierten Minenarbeiter gehört zu zwei großen Minen. Sie stecken sich während der Arbeit nicht nur gegenseitig an, sondern tragen das Virus auch in die Bevölkerung der umliegenden Dörfer.

Problematik peruanisches Amazonasgebiet

Auch im peruanischen Amazonasgebiet konnte sich das Virus massiv ausbreiten. Die dort lebenden Indigenen können nur über Funk erreicht werden. Es wurde versucht, die Dorfvorsteher der Urarina über das Virus zu informieren. Doch die Urarina haben ein anderes Krankheitsbild, sie sehen Krankheit als eine Art Strafe an, sodass die Warnungen nahezu ins Leere liefen.

Die Urarina leben in größeren Familienverbänden in mehr oder minder offenen Holzhütten auf etwa 40 Dörfer verteilt. Zunächst gelang es, mittels einer Sperrung des Flusses das Virus quasi auszusperren, aber nachdem die Quarantäne in Peru Ende Juni offiziell beendet wurde, mussten die Indigenen den Fluss freigeben. Besonders hoch sind die Zahlen in der Provinzhauptstadt Iquitos, hier geht man von 70 Prozent Infizierten aus.

Gründe für die hohe Mortalitätsrate

Peru hat zu wenig Krankenhäuser und eine zu geringe Kapazität an Betten mit Intensivpflege. Statistisch gibt es nur 2,3 Intensivbetten für 100.000 Einwohner, sehr viel weniger, als von den Vereinten Nationen empfohlen wird. Wenn Kliniken keine Patienten mehr aufnehmen können, bleiben Infizierte zu Hause, wo sie nicht professionell versorgt werden können, und ihre Mitbewohner anstecken.

Außerdem mangelt es an dem für die Behandlung notwendigem medizinischen Sauerstoff. Aufgrund der Engpässe in den Krankenhäusern sollen die Angehörigen Sauerstoffflaschen in die Kliniken bringen. Mittlerweile sind die Schwarzmarktpreise jedoch so hoch, dass kaum ein Peruaner sie sich leisten kann. Für viele Familien bedeutet dies den finanziellen Ruin.

Die Kommunen versuchen mittels einer Luft-Trennanlage, die Sauerstoff produziert, die Menschen kostenlos zu versorgen, was eigentlich Aufgabe der Landesregierung wäre. Die Anlage ist auf einem Lastwagen montiert, der durch die Vororte von Lima fährt und den Sauerstoff verteilt.

Verwendete Quellen:

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