• Die Nachricht aus Großbritannien hat viele verunsichert: Mehr als die Hälfte der britischen Delta-Toten war geimpft, mehr als ein Drittel sogar vollständig.
  • Doch das ist kein Grund zur Panik, im Gegenteil: Es ist ein statistischer Effekt, den der Erfolg der Impfkampagne mit sich bringt.
  • Wir erklären die Hintergründe.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Für viele ist es Anlass zur Sorge: Die Corona-Zahlen in Großbritannien steigen wieder drastisch. Durch die hochansteckende Delta-Variante schnellen die Fallzahlen in die Höhe, die Inzidenz hat die 200er-Marke wieder durchbrochen.

Nicht nur diese Nachricht von der Insel versetzt viele in Unruhe: Mehr als ein Drittel der Menschen in Großbritannien, die mit oder an einer Corona-Infektion mit der Delta-Variante starben, war bereits vollständig geimpft. Ist die Impfung also nahezu wirkungslos? Die klare Antwort: Nein. Vielmehr steckt ein statistischer Trugschluss dahinter.

Erfolgsgeschichte statt Problem

"Wenn immer mehr Leute gg. #COVID19 geimpft sind, sind unter den #Infizierten mit schwerem Verlauf logischerweise immer mehr Geimpfte", twitterte die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt Anfang Juli.

Auch der Statistiker Christoph Rothe der Universität Mannheim ärgert sich über die Panikmache, die Schlagzeilen wie "Großbritannien: Mehr als die Hälfte aller Delta-Toten war geimpft" suggerieren wollen. Er twitterte: "Mit Meldungen wie "40 Prozent aller neuen Corona-Toten war geimpft" verhält es ähnlich wie mit "70 Prozent aller Verkehrstoten war angeschnallt". Sie suggerieren dem Leser ein Problem, obwohl dahinter eigentlich eine Erfolgsgeschichte steht."

Immer mehr Menschen geimpft

Die Erfolgsgeschichte: Großbritannien ist in Sachen Impfquote weltweit vorne mit dabei. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist bereits vollständig geimpft (50,4 Prozent, Stand: 6. Juli), knapp 68 Prozent sind bereits einmal geimpft. Die Zahl der Todesfälle liegt deshalb inzwischen auf einem relativ niedrigen Niveau: Von insgesamt 128.000 Menschen, die an oder mit Corona verstarben, meldeten die Gesundheitsbehörden zuletzt nur noch zwischen 0 und 30 Tote am Tag. Im Januar lag dieser Wert noch bei über 600.

Auch wenn die hohe Wirksamkeit der Impfungen immer wieder von Studien unter Beweis gestellt wurde: Einen 100-prozentigen Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus kann auch eine Impfung nicht geben. Sie lässt aber die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken oder einen schweren Verlauf zu erleiden, deutlich sinken.

Impfung ist nicht perfekt

Ein "dramatisch" oder "deutlich gesunkenes" Risiko oder die Wahrscheinlichkeit "nahezu" vollständig vor einem schweren Verlauf zu schützen, kann dennoch nicht verhindern, dass es sie gibt: Menschen, die trotz einer vollständigen Impfung einen schweren Verlauf der Corona-Infektion erleiden und womöglich sogar daran versterben.

Das britische Gesundheitsministerium gibt den Schutz vor einer Einlieferung ins Krankenhaus wegen der Delta-Variante nach vollständiger Impfung mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer mit 96 Prozent an. Bei beim Impfstoff von AstraZeneca liegt er bei 92 Prozent.

Wichtiger Zusammenhang: Risiko und Alter

Besonders ältere Menschen, solche mit schweren Vorerkrankungen oder einem schwachen Immunsystem, beispielsweise nach einer Organtransplantation, dürften zu den verbleibenden Prozenten gehören. Wichtig aber auch: All jene Hochrisikogruppen wurden wiederum priorisiert geimpft. Ihr Sterberisiko liegt allgemein höher, als bei gesunden oder jüngeren Menschen.

Denn auch, wenn die Impfung das Risiko alter und vorerkrankter Menschen, sich zu infizieren und zu versterben, deutlich reduziert - es bleibt vorhanden. Laut einem Bericht des "Guardian" ist eine 80-Jährige vollständig geimpfte Person in etwa so gut geschützt wie eine 50-Jährige ungeimpfte Person. Es gilt außerdem: Eine Impfung schützt einen jungen, gesunden Menschen wirksamer vor einer Infektion und schwerem Verlauf als Risikopatienten.

Geimpfte Coronatote: Kombination mehrerer Faktoren

Chemiker und Wissenschaftsjournalist Lars Fischer resümierte auf Twitter wie folgt: "So lange wir also hohe Infektionszahlen haben, wird ein immer höherer Anteil der Toten doppelt geimpft sein. Einfach weil diejenigen, die das überwältigend höhere Sterberisiko haben, fast alle doppelt geimpft sind und die Impfung nicht perfekt schützt".

Würde man in einer Bevölkerung also eine 100-prozentige Impfquote mit einem Impfstoff erreichen, bei dem immer noch ein geringer Teil erkranken und versterben würde, dann wäre jeder Tote vollständig geimpft gewesen. Die aktuellen Zahlen erklären sich also insgesamt durch mehrere Aspekte.

Die Impfstoffe sind effektiv, können aber nicht zu 100-Prozent schützen. Hinzukommt, dass es in der Bevölkerung unterschiedliche Risikoprofile gibt, die insbesondere vom Alter abhängen. Die Impfkampagne, die Hochrisikopatienten priorisiert hat, schreitet immer weiter voran, immer mehr Menschen haben eine Impfung erhalten.

Impfung

Wegen Delta-Variante: Sorge um Impfschutz von Pflegeheimbewohnern

Angesichts der schnellen Verbreitung der Delta-Variante des Coronavirus haben Patientenschützer eine rasche Entscheidung über die Nachimpfung von Pflegeheimbewohnern gefordert.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.