Die Coronakrise ist für alle Menschen anspruchsvoll. Wer jetzt Halt in der Kirchengemeinde sucht, muss sich gedulden: Das Versammlungsverbot gilt auch in allen Gotteshäusern. Während Christen das Osterfest bereits ohne Kirchengang begehen mussten, steht jetzt den Muslimen eine Neuerung bevor: Ramadan ohne Moschee - kann das funktionieren?

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Als Angela Merkel vergangene Woche erste Lockerungen des Lockdowns verkündete, hingen auch viele Gläubige an ihren Lippen. Denn seit mehr als vier Wochen sind Kirchenbesuche jeder Art untersagt. Das Ansteckungsrisiko ist zu groß und gerade viele Menschen, die als Risikopatienten gelten, versammeln sich hier - sonntags als Christen, aber auch Juden und Muslime und andere Gläubige.

Ein Osterfest ohne Kirche war für viele Christen schon eine Herausforderung. Ist es doch das größte Fest - neben Weihnachten - das im Kirchenjahr gefeiert wird. Ohne Osterandacht und ohne großes Familienfest verstrichen die Feiertage.

Auch die Juden mussten ihr Pessachfest ausfallen lassen - zumindest so, wie sie es sonst gewohnt sind. Einsame Tage für all die Gläubigen, wenngleich auch die Kirchen in Sachen Digitalisierung in den vergangenen Wochen einen Schnellkurs belegten und ihren Gläubigen digitale Angebote wie Gottesdienste, Andachten und aufmunternde Worte in die Wohnzimmer übertrugen.

Ansonsten blieb den Christen und Juden nur der Halt in stillen Gebeten und dem Lesen der religiösen Schriften.

Es geht - und trotzdem ist der Wunsch nach einem Kirchenbesuch bei vielen Gläubigen groß. Endlich wieder in der Gemeinschaft Halt finden, gerade in dieser neuen, anspruchsvollen Zeit.

Muslime an Ramadan von geschlossenen Glaubenshäusern betroffen

Alles beten war aber vergebens, Angela Merkel und ihre Regierung halten an dem verhängten Versammlungsverbot in Gotteshäusern fest. Mindestens bis zum 4. Mai soll hier erstmal keine Lockerung anstehen, danach wolle man die Situation der Pandemie neu bewerten. Kurz: Ein gemeinsamer Kirchenbesuch bleibt wohl auch in den nächsten Wochen aus.

Was eine wichtige Glaubensgemeinschaft in Deutschland trifft: die Muslime. Denn während die Christen und Juden bereits Zeit hatten, sich an die Situation zu gewöhnen und ihre wichtigen Feste in der Isolation feierten, hatten die Muslime bis zuletzt gehofft, dass Ramadan in eine Zeit der Lockerung fällt.

Die Fastenzeit, die am 23. April beginnt, ist für Muslime die wichtigste Zeit des Jahres. Neben dem Besuch der Moschee und dem Gebet mit dem Imam gehört hier auch traditionell das gemeinsam Fastenbrechen nach Sonnenuntergang im Familien- und Freundeskreis dazu.

Imame rufen Gläubige auf, sich an Vorgaben zu halten

Vier Wochen lang verzichten viele Muslime und Musliminnen während dieser Zeit vom Anbruch des Tages bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex.

Das Motto der Muslime in Deutschland: Der Ramadan findet statt - nur eben anders als die Jahrzehnte zuvor. "Wir leiden alle unter einem gemeinsamen Problem", sagte der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Magdeburg, Moawia Al-Hamid der dpa.

Weltweit seien die Menschen - unabhängig von Religion und Herkunft - von der Corona-Pandemie betroffen. Zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des gefährlichen Virus riefen die Imame ihre Gläubigen dazu auf, sich an die Vorgaben der Bundesregierung und Gesundheitsämter zu halten und sich nicht gemeinsam zum Gebet oder zum Fastenbrechen zu treffen.

Die Moscheen in Deutschland bleiben weiterhin geschlossen. Selbst in Mekka wird jede Moschee geschlossen sein. "Das wird ein besonderer Ramadan", sagte Ünal Kaymakci von der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) der FAZ. "Das hat es seit Menschengedenken nicht gegeben."

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Imam: Digitale Alternative zum Ramadan wohl nicht möglich

Eine Alternative, beispielsweise das Gebet über das Internet zu übertragen, sieht Moawia Al-Hamid nicht. Die Gläubigen müssten sich für ein "gültiges" Gebet hinter dem Imam versammeln. Via Skype und Co. sei das leider nicht möglich, so der Imam zur dpa.

Andere muslimische Gemeinden wollen es trotzdem versuchen. Kein Wunder, schließlich sind die Moscheen zu Ramadan oft so gut besucht, dass bis zu 400 Gläubige kommen. Diese will man abholen und das spirituelle Erlebnis doch irgendwie erlebbar machen.
"Wir versuchen, die Mitglieder via Zoom oder YouTube virtuell zu versorgen", sagt Mohammed Johari vom Verein für Islamische Informations- und Serviceleistungen in Frankfurt gegenüber der FAZ. Die Gebete werden über die Internetplattformen ausgestrahlt, sodass die Gläubigen von zu Hause aus mitbeten könnten

Ob mit oder ohne Digitalisierung: Deutschlandweit versuchen Muslime, Lösungen zu finden, oftmals in Gesprächen mit den Städten. In Halle überlege man beispielsweise, ob sich die Gläubigen eventuell unter strengen Vorschriften im Freien treffen können. Oberste Priorität habe aber weiterhin - so der Tenor der Muslime (wie auch Christen und Juden) -, dass die Regeln eingehalten werden und die Gesundheit aller gewahrt wird.

Andere Gemeinden wiederum halten über Skype Kontakt zu ihrer Gemeinschaft, bieten Gespräche und Seelsorge an und wollen so durch den Ramadan begleiten. Hauptsache, die Gläubigen bleiben in Kontakt mit ihrem Gotteshaus.

Imam: Fastenbrechen nur im engsten Kreis der Familie

Imam Al-Hamid schlug laut dpa vor, den Ramadan mit dem allabendlichen Fastenbrechen nur im engsten Kreis der Familie zu begehen. "Es ist für unsere Gesundheit das einzig Richtige", sagte der Gemeindevorsitzende aus Magdeburg der dpa. Er selbst wolle als Vorbild wirken und zu Hause bleiben. "Soziale Kontakte sollten eingeschränkt werden."

Digitale Predigten, vereinzelte Treffen im Freien oder das stille Gebet allein: Gläubige passen sich in Zeiten von Corona an und finden Lösungen, wenngleich es den Besuch im Gotteshaus und die Gemeinschaft nicht ersetzt.

Die Religion - und da hat so mancher Gläubiger einen Vorteil - gibt immer wieder neue Kraft und Halt. Sie führt durch schwere Zeiten und lässt den Glauben wachsen. Auch in Zeiten einer Pandemie und ohne Gotteshaus-Besuch.

Verwendete Quellen:

  • Material der dpa
  • faz.net: Religion in Zeiten von Corona - "Das wird ein besonderer Ramadan"
  • Sueddeutsche.de: Muslime können an Ramadan nicht in Moscheen

Mazyek: Nichtverbreitung des Coronavirus ist im Ramadan höchste Pflicht

Im Fastenmonat Ramadan setzt der Zentralrat der Muslime in diesem Jahr auf Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus. Der Zentralrat verfolge eine "maßvolle Exit-Strategie", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek
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