• Wenn es um die Wirksamkeit der Impfung gegen COVID-19 geht, kursieren im Netz viele falsche Interpretationen der Daten, was zu fatalen Fehlschlüssen führt.
  • Hier erklärt ein Statistikexperte, wo der Denkfehler liegt und wie man die Daten richtig liest.

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Zahlen lügen nicht? Stimmt. Doch wie schnell aus falsch gelesenen Zahlen eine Lüge wird, zeigt sich derzeit in der Debatte um die Coronaimpfung.

In sozialen Medien kursieren unzählige Meldungen, die die Wirksamkeit der Impfung in Zweifel ziehen - auf Basis von Rechenfehlern: "Aktuell sind 45 Prozent der Hospitalisierten über 60 Jahre geimpft - wo ist da ein signifikanter Vorteil?" heißt es da zum Beispiel. Oder auch: "Wirkt ja toll eure Impfung: In den Kalenderwochen 41 bis 44 waren 42 Prozent der an COVID Verstorbenen über 60 Jahre in Deutschland geimpft."

Es wird signalisiert, der Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften sei marginal - was schlichtweg falsch ist. Statistikprofessor Andreas Groll von der TU Dortmund urteilt: "Hier werden Zahlen durcheinandergeworfen und wird aufs Bauchgefühl vertraut."

Sterberisiko für Ungeimpfte achtmal so hoch wie für Geimpfte

Im Gespräch mit unserer Redaktion macht Groll deutlich, wo der Fehler liegt: in der falschen Grundgesamtheit. In Deutschland leben etwa 25,5 Millionen Menschen über 60 Jahre. Für die Rechnung ist zu berücksichtigen, dass rund 86 Prozent von ihnen vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind.

"Wenn die Impfung nutzlos wäre, müssten also auch 86 Prozent Geimpfte im Krankenhaus liegen und 86 Prozent der Corona-Toten geimpft sein", sagt Groll. Tatsächlich sind es aber nur 45 beziehungsweise 42 Prozent. Für Geimpfte ist das Risiko, wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus zu müssen beziehungsweise an der Infektion zu sterben also deutlich geringer. "42 statt 86 Prozent - da brauche ich keinen Signifikanztest, um sagen zu können, dass das kein Zufall ist."

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Wie effizient die Impfung ist, lässt sich für das Beispiel mit den Corona-Toten wie folgt berechnen:

  • In den besagten Kalenderwochen starben in Deutschland 840 Menschen über 60 Jahren an einer Corona-Infektion.
  • 42 Prozent der Toten waren geimpft, das entspricht 350 Menschen oder 16 Toten pro einer Million Menschen (350 geteilt durch 22; 22 Millionen entsprechen 86 Prozent aller Deutschen über 60 Jahre).
  • 58 Prozent der Toten waren nicht geimpft, das entspricht 490 Menschen oder 140 Toten pro einer Million Menschen (490 geteilt durch 3,5; 3,5 Millionen entsprechen 14 Prozent aller Deutschen über 60 Jahre).
  • Das Risiko, als über 60-Jährige(r) an COVID 19 zu sterben, war in den besagten Wochen für Ungeimpfte also über achtmal so hoch (140 geteilt durch 16) wie für Geimpfte.

Schutzwirkung der Corona-Impfung lässt mit der Zeit nach

Auch Monate nach der Corona-Impfung schützt diese noch gut vor schweren und tödlichen Verläufen. Zur Wahrheit gehört jedoch, dass die Wirkung mit der Zeit nachlässt. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene Studien übereinstimmend, wie das ZDF zusammengetragen hat.

So schützt der Impfstoff von Biontech Personen zwischen 16 und 65 Jahren einer britischen Untersuchung zufolge in der ersten Woche zu 92 Prozent vor einer symptomatischen Infektion, zehn Wochen nach der zweiten Spritze noch zu 80 Prozent und nach 20 Wochen noch zu 70 Prozent. Ältere schneiden schlechter ab.

Deshalb rät die Ständige Impfkommission Menschen ab 70 Jahren zu einer dritten Impfung - und hat angekündigt, die Empfehlung zum Boostern bald auf alle Erwachsenen auszuweiten.

Über den Experten: Andreas Groll ist Professor an der Fakultät für Statistik der Technischen Universität Dortmund. Sein Fachgebiet ist Big Data.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Professor Andreas Groll
  • Impfdashboard des Robert-Koch-Instituts, aufgerufen am 17. November 2021.
  • zdf.de: "Wie lange hält mein Corona-Impfschutz" von 16. November 2021.
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