- Was haben die aktuellen Corona-Hotspots in Deutschland gemeinsam?
- Wissenschaft und Politik suchen nach Antworten.
- Allgemeingültige Erklärungen gibt es bislang nicht.
Die Deutschlandkarte ist in vielen Teilen orange und rot. In Sachsen sind jedoch fast alle Landkreise auf der Karte des Robert Koch-Instituts zu den neuen Coronafällen dunkelrot eingefärbt. Dunkelrot heißt: In der vergangenen Woche gab es dort mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die höchsten Zahlen kommen allerdings derzeit aus Bayern, aus dem Landkreis Regen - mit knapp 570.
So stellt sich die Frage: Warum sind diese Regionen gerade so stark betroffen? "Wir haben eine andere Lage als in der ersten Welle", sagt der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Es gebe inzwischen viel höhere Fallzahlen, das Virus sei überall eingezogen. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken grundsätzlich höher, eben auch in nicht so dicht besiedelten Gebieten, erklärt Zeeb.
Ostdeutschland: Trügerische Sicherheit aus dem Frühjahr wird zum Problem
Eine Art trügerische Sicherheit aus dem Frühjahr könnte dabei eine gewisse Rolle spielen. Der Epidemiologe beschreibt dies als "auf den ersten Erfahrungen beruhende Entspannung". Im Osten Deutschland etwa habe es in der ersten Welle der Pandemie gut ausgesehen. Die Zahlen waren niedrig, besonders in den Landkreisen. Dieses Gefühl und damit die Einstellung nun zu ändern, sei schwierig. "Manche fragen sich bestimmt: Warum soll ich mich jetzt anders verhalten?", vermutet Zeeb. Also etwa die Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen strikt einhalten. "Wir können so viele Verschärfungen und Gesetze erlassen, wie wir wollen - wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nicht daran halten, bringt das alles nichts", fasste ein Sprecher des stark betroffenen sächsischen Erzgebirgskreises gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" die Problematik zusammen.
Hohe Fallzahlen durch engere soziale Kontakte in ländlichen Gebieten
Engere soziale Kontakten in ländlich geprägten Gebieten könnten auch zu hohen Fallzahlen beitragen. In Sachsen etwa mahnte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) wiederholt an, gerade im Familien- und Freundeskreis auf dem Land vorsichtig zu sein. In Situationen wie etwa beim Kaffeetrinken mit Verwandten und Freunden fühlt man sich sicher - und verzichtet etwa auf Abstand und Maske.
Stark betroffene Kreise befinden sich in Grenznähe
Gemeinsam haben viele der derzeit stark betroffenen Kreise die Grenznähe. Während die östlichen Nachbarländer in der ersten Welle eher gering betroffen waren, sind die Zahlen etwa in Tschechien in den vergangenen Wochen in die Höhe geschnellt. Berufspendler zwischen den Ländern sind nun also einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt als noch im Frühjahr und Sommer. Private Kurztrips zum Tanken oder Einkaufen ins Risikogebiet Tschechien, wo die Coronamaßnahmen vor einigen Tagen gelockert wurden, sind deshalb in Sachsen nicht mehr von der Quarantänepflicht ausgenommen. In Bayern gilt das ab Mittwoch.
Viele Puzzleteile ergeben zusammengesetzt das ganze Hotspot-Bild? Die Wissenschaft mahnt zur Vorsicht bei allgemeingültigen Erklärungen. Man müsse immer etwa auch fragen, ob nicht ein regionales Cluster in einer Gemeinschaftseinrichtung für die hohen Zahlen in einem Landkreis mit niedriger Einwohnerzahl verantwortlich sei, so Epidemiologe Zeeb. Sein Fachkollege Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ergänzt, dass es Hypothesen für die regionalen Unterschiede gebe, "aber wir haben bis heute keine wirklich belastbare Evidenz dafür."
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Landkreis Regen: Gemeinschaftseinrichtungen als Treiber der hohen Zahlen
Im bayerischen Landkreis Regen sind Gemeinschaftseinrichtungen offenbar derzeit tatsächlich ein Treiber der Zahlen: "Wir haben ein hohes Infektionsgeschehen in Heimen, Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen. Das liegt zusammengerechnet bei 50 bis 55 Prozent", sagte ein Sprecher des Landratsamts am Montag. Bei mehr als 40 Prozent sei das Infektionsgeschehen diffus. Das trifft auch auf die Lage bei der Erklärung der Farb-Unterschiede auf der Deutschlandkarte zu. (Alexandra Stober/dpa/ash)
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