In Norwegen sind nach einer Impfung gegen COVID-19 mehrere Bewohner von Pflegeheimen gestorben. In sozialen Netzwerken heißt es, eine Verbindung zum Impfstoff sei bewiesen und Norwegen habe deshalb ein Impfverbot verhängt. Das ist eine Falschmeldung.

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"Norwegen verhängt Impfverbot für Pfizer und Biontech Impfstoffe, nachdem es 23 Menschen das Leben kostete!" Diese Behauptung wurde Mitte Januar tausendfach auf Facebook verbreitet. Es handelt sich nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck um eine Falschmeldung.

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Richtig ist, dass die Norwegische Arzneimittelbehörde (Legemiddelverket) am 15. Januar eine Pressemitteilung herausgegeben hat. Darin stand, es seien bis dato 23 Menschen in Norwegen zeitlich nach der Impfung verstorben. 13 dieser Todesfälle seien untersucht. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die "üblichen" Nebenwirkungen der Impfung bei älteren Menschen mit schweren Vorerkrankungen zum Tod beigetragen haben.

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Verbindung zu Impfung nicht nachgewiesen

Von einem Impfverbot ist in der Pressemitteilung nicht die Rede. Im Gegenteil heißt es darin: Generell seien Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung zu erwarten, weil vor allem alte Menschen mit schweren Vorerkrankungen geimpft worden seien.

Dass die Todesfälle in einem Bericht der Arzneimittelbehörde auftauchen, heißt nicht, dass die Impfung als Todesursache feststeht. Das schrieb uns die Pressestelle auf Anfrage auch per E-Mail. Die Behörde kommuniziert die Fälle mutmaßlicher Nebenwirkungen der COVID-19-Impfung regelmäßig und spricht in ihrem Bericht ausdrücklich von Verdachtsfällen.

Zum Stand 14. Januar war in dem Bericht von 29 Personen mit Verdacht auf Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Fieber oder Übelkeit die Rede. 13 dieser Menschen seien gestorben. Am 21. Januar wurde der Bericht aktualisiert; nun sind dort 104 Verdachtsfälle auf Nebenwirkungen vermerkt, darunter 30 Todesfälle. Insgesamt wurden in Norwegen bis zum 21. Januar 71.971 Personen mit der ersten Dosis gegen COVID-19 geimpft.

"Jeden Tag sterben im Schnitt 45 Menschen in norwegischen Pflegeeinrichtungen oder ähnlichen Situationen", heißt es in dem Bericht der Arzneimittelbehörde. "Die Tatsache, dass manche Bewohner kurz nach der Impfung sterben, impliziert keinen kausalen Zusammenhang."

Der Impfstoff von Pfizer und Biontech wurde in Norwegen nicht verboten

Die Arzneimittelbehörde und auch die Gesundheitsbehörde Norwegian Institute of Public Health (NIPH, im Norwegischen Folkehelseinstituttet genannt) schrieben uns übereinstimmend, der Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer sei dort nicht verboten worden. Er werde weiterhin eingesetzt.

Wie das NIPH außerdem in seiner E-Mail erklärte, wurden in Norwegen bisher vor allem Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, geimpft. Die meisten der Geimpften hätten die Impfung gut vertragen. Ein großer Teil dieser Menschen sei sterbenskrank oder habe schwere Vorerkrankungen, mit einer kurzen Lebenserwartung.

In seinen Ratschlägen für Impfungen schreibt das NIPH aktuell, bei "sehr gebrechlichen" Patienten sei der individuelle Nutzen der Impfung gegen Nachteile der Impfung abzuwägen: "Für die überwiegende Mehrheit der älteren Menschen, die mit Gebrechlichkeit leben, werden alle Nebenwirkungen des Impfstoffs durch ein geringeres Risiko einer schweren Erkrankung an COVID-19 mehr als ausgeglichen. Für diejenigen mit der schwersten Gebrechlichkeit können jedoch selbst relativ milde Nebenwirkungen des Impfstoffs schwerwiegende Folgen haben. Für diejenigen, die eine sehr kurze Lebenserwartung haben, kann der Nutzen des Impfstoffs marginal oder irrelevant sein."

An der grundsätzlichen Impfstrategie in Norwegen hat sich jedoch nichts geändert: Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und ausgewählte Gruppen von medizinischem Personal stehen weiterhin auf der Liste der priorisierten Gruppen für die Impfung ganz oben.

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