Der sechsjährige Arian aus Bremervörde bleibt auch in dieser Nacht verschwunden. Doch Polizei und Bundeswehr geben nicht auf. Für Sonntag wird die Zahl der Einsatzkräfte aufgestockt.
Auch in der Nacht ist die Suche nach dem sechsjährigen Arian aus dem niedersächsischen Bremervörde-Elm in Niedersachsen erfolglos geblieben. "Es gibt keine neuen Erkenntnisse aus der Nacht", sagte eine Polizeisprecherin am frühen Morgen.
Am Sonntag hatten die Einsatzkräfte die bisher größte Suchaktion gestartet. Seit dem Vormittag durchsuchen rund 800 Helfer das Gebiet nördlich des Wohnorts des Vermissten, sagte die Sprecherin am Sonntag im Lagezentrum in Bremervörde-Elm.
1.200 Einsatzkräfte sowie Drohnen suchen nach Arian
Die Aktion habe um 9 Uhr in Kranenburg, einige Kilometer nördlich von Elm, begonnen. Die Einsatzkräfte bildeten eine 1,5 Kilometer breite Menschenkette und durchstreiften das Gebiet nun vom Norden her in Richtung Elm.
Zusätzlich seien weiter Boote und Drohen im Einsatz, erklärte die Sprecherin. Technisches Hilfwerk (THW) und Feuerwehr durchsuchten Gräben und darin befindliche Rohre. Hinzu komme am Sonntag eine Reiterstaffel.
Insgesamt seien rund 1.200 Kräfte im Einsatz. Das sei die bisher größte Aktion seit Beginn der Suche vor knapp einer Woche. "Eine derart große Suchmaßnahme habe ich zuvor noch nicht geleitet", sagte Jörg Wesemann, Gesamteinsatzleiter der Polizei Rotenburg.
Polizei richtet sich mit wichtigem Hinweis an Freiwillige
Die Rotenburger Polizeiinspektion gibt unter anderem über ihren Instagram-Account wichtige Hinweise an die Bevölkerung bekannt. So wird darum gebeten, dass Privatpersonen auf eine eigenständige Suche verzichten sollen. "Bitte seht von Suchtourismus ab!", schreib die Polizei unter anderem.
Daneben wird darauf hingewiesen, dass es weiterhin eine Flugverbotszone im betroffenen Gebiet gibt – vom Einsatz privater Drohnen soll also abgesehen werden. Auch das Befahren des Flusses Oste zwischen Neuhaus und Bremervörde ist untersagt.
Arian wird seit knapp einer Woche vermisst
Arian, der Autist ist, wird seit Montagabend vermisst. Hunderte Einsatzkräfte durchkämmen seitdem den Heimatort des Jungen und das Umland. Bremervörde-Elm liegt zwischen Bremerhaven und Hamburg. Eine Überwachungskamera hatte den Jungen am Montagabend gefilmt, wie er nach dem Verschwinden aus seinem Elternhaus wahrscheinlich Richtung eines Waldes lief.
Am Samstag durchsuchten die Einsatzkräfte wieder nahe Elm die Oste, einen Nebenfluss der Elbe. Sie fuhren mit sogenannten Sonarbooten auf dem Fluss. An Land liefen Helfer den Fluss zu Fuß ab. Weitere Einsatzkräfte durchkämmten das Gebiet zwischen Elm und der Gemeinde Oldendorf.
In dem Gebiet beobachtete ein dpa-Reporter am Samstag, wie etwa 30 Bundeswehrsoldaten eine Weide kontrollierten. Sie liefen verteilt in einer Reihe und suchten den Boden ab. Anders als am Freitag konzentrierte sich die Suche nicht auf Elm.
Suche am Sonntag soll bis 19 Uhr andauern
Bei der nun gestarteten Menschenkette werde ein Gebiet noch einmal gezielt durchsucht, in dem man in den vergangenen Tagen zahlreiche Spuren gefunden habe, sagte die Polizeisprecherin. "Das heißt, man sucht gezielt diesen Bereich noch mal mit dieser Kette auf, um zu versuchen, lückenlos alles noch einmal umzudrehen."
Die beteiligten Kräfte von Feuerwehr, Bundeswehr und Polizei seien mit GPS-Trackern ausgestattet, damit sie trotz der großen Entfernung auf einer Höhe bleiben. Dadurch erhoffe man sich, den Bereich lückenlos durchsuchen zu können.
Die großangelegte Suchaktion am Sonntag ist nach Angaben der Polizei zunächst auf zehn Stunden angelegt und soll bis 19 Uhr gehen. Man hoffe aber natürlich, Arian vorher zu finden. "Die große Anzahl an Kräften, die wir heute noch mal haben", so die Sprecherin, "zeigt, dass wir immer noch die Hoffnung haben". Die Polizei gehe weiter nicht von einer Straftat aus.
Einen etwaigen Wolfsangriff, in der Gegend gibt es Wölfe, schloss ein Sprecher der Polizei aus. Ein Wolfsberater des Landkreises Rotenburg hält das ebenfalls für unwahrscheinlich. Wolfgang Albrecht sagte, Gefahr bestehe nur in Sonderfällen, etwa wenn ein Wolf sich angegriffen fühle.
Ergotherapeutin berät Einsatzkräfte
Arian wird wahrscheinlich nicht auf Zuruf reagieren. Die Ergotherapeutin Jutta Bertholdt arbeitet mit Autisten zusammen und berät die Einsatzkräfte. Sie sagte, Arian könne ohne die Erlaubnis einer Vertrauensperson vor Kontakt mit Einsatzkräften zurückschrecken. Menschen mit Autismus seien Regeln vergleichsweise wichtig, sagte sie. Deswegen seien Aufnahmen abgespielt worden, die Arian hören sollte. Diese erlaubten ihm, sich an die Helfer zu wenden.
Bertholdt hatte den Einsatzkräften geraten, Arian nicht anzufassen, sollten sie ihn finden. Autisten könnten Berührungen von Fremden als unangenehm oder schmerzhaft empfinden, sagte sie. Das sei aber nicht immer so. Die Ergotherapeutin lobte die Einsatzkräfte. Es werde an allen Orten gesucht, was richtig sei. Es könne sein, dass Arian als Autist anders als Altersgenossen keine Angst etwa vor dem dunklen Wald habe.
Taktikwechsel in der Nacht zu Samstag
In der Nacht zu Samstag suchten Soldaten der Bundeswehr mit Nachtsichtgeräten nach dem Jungen. Die Soldaten sollten in kleinen Gruppen unterwegs sein. Besprochen wurde, dass die Einsatzkräfte sich still verhalten.
Damit stellte die Einsatzleitung ihre Taktik um: In Nächten zuvor spielten die Helfer Kinderlieder und brannten Feuerwerk ab. Damit sollte Arians Aufmerksamkeit gewonnen werden. Man habe die Taktik geändert, weil die anderen Ansätze keinen Erfolg gebracht hätten, sagte der Polizeisprecher.
Oldenburger Vermisstenfall mit glücklichem Ende
Helfen könnten Erkenntnisse aus vergangenen Vermisstenfällen gewinnen – darunter der eines tagelang vermissten Achtjährigen aus Oldenburg im Jahr 2022. Das geistig behinderte Kind hatte sich in einem Kanalsystem verirrt. Ein Spaziergänger hatte nach acht Tagen Suche ein leises Wimmern aus einem Kanaldeckel gehört – nur wenige hundert Meter vom Elternhaus des Kindes entfernt. Der Junge wurde gerettet. (dpa/jst/ari/ms)
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