Es ging um Sex, Verführung und Bunga Bunga. Dreieinhalb Jahre lang versetzte Karima el-Mahroug Italien in Aufruhr. Ob sie wollte oder nicht.
Im Prozess gegen den früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wegen Machtmissbrauchs und angeblichem Sex mit Minderjährigen hatte die junge Marokkanerin neben dem schwerreichen Milliardär die Hauptrolle. Die heute 22-Jährige, der die Medien den Spitznamen Ruby Rubacuori, Herzensbrecherin, gaben, war die erste Zeugin. El-Mahroug bestreitet bis heute, Sex gegen Geld mit dem einstigen Regierungschef gehabt zu haben. Angeblich, weil sie fünf Millionen Euro Schweigegeld bekam.
Sie meidet die Öffentlichkeit, lebt aber offenbar in Saus und Braus. Jetzt wird der Fall neu aufgerollt. Ob sie will oder nicht.
Bunga Bunga
Alles begann am 14. Februar 2010. Der Tag veränderte das Leben der damals 17 Jahre alten Karima. Erstmals brachten sogenannte Vermittler sie in Berlusconis Villa San Martino in Arcore. Es war der Beginn einer Serie wilder Bunga-Bunga-Partys. Junge Frauen sollen lesbische Orgien vor dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten gezeigt haben - und angeblich hatte sie selbst Sex mit Il Cavaliere, wie Berlusconi populistisch genannt wird. 13 Mal behauptete die Staatsanwaltschaft später.
Bunga Bunga kommt aus dem Afrikanischen - es steht für ausschweifende Sex-Feste. Die von Berlusconi geschiedene dritte Ehefrau Veronica Lario schrieb in einem Brief an die renommierte Zeitung La Repubblica davon. Schließlich nahm die Staatsanwaltschaft Ende 2010 die Ermittlungen auf - aus El-Mahroug wurde in den Medien Ruby Rubacuori. Ihre Geschichte war einfach zu gut, als dass sie sich nicht verkaufen ließe. Die Ausreißerin und Italiens mächtigster Macho.
"Ich bin keine Prostituierte"
Als Jugendliche kam Karima als Tochter marokkanischer Migranten nach Italien. Mit 14 verließ sie das Elternhaus, verdingte sich als Zimmermädchen, Bauchtänzerin und Kosmetikerin. Schließlich kam sie in den Strudel der Berlusconi-Machenschaften. Schnell wurde nach Prozessbeginn klar, dass ihr der ganze Trubel um ihre Person zu viel ist. Im April 2013 trat sie medienwirksam vor die TV-Kameras. "Ich bin keine Prostituierte!", erklärte sie vor dem Gerichtsgebäude in Mailand.
Mit züchtigem Zopf und in schlichtes Schwarz gekleidet schwenkte sie ein großes Schild, auf dem stand: "Der Fall Ruby: Will denn keiner mehr die Wahrheit wissen? Ich will mich gegen Lügen und Vorurteile verteidigen!"
Doch sie leistete sich auch Eskapaden. Mehrere Gerichtstermine versäumte sie, einmal musste sie sogar polizeilich vorgeladen werden. Zuvor im März 2011 sorgte sie für Aufsehen, als sie an der Seite des österreichische Society-Löwen Richard Lugner beim Wiener Opernball zu Gast war. Sorgen um ihren Wohlstand musste sie sich wohl schon da keine mehr machen. Sie habe 187.000 Euro von Berlusconi erhalten, dazu Schmuck und Designer-Mode, schilderte sie den Ermittlungsbehörden.
Berlusconi wurde im Juli 2014 in zweiter Instanz freigesprochen, nachdem er zuvor zu einer Haft von sieben Jahren ohne Bewährung (!) verurteilt worden war. Die italienische Justiz stürzte in eine Glaubwürdigkeitskrise. Einer der drei Vorsitzenden des Berufungsgerichts, Enrico Tranfa, ging aus Protest gegen die Entscheidung seiner beiden Kollegen vorzeitig in Pension.
Auch an der Aussage El-Mahrougs gibt es Zweifel. Sie ist ein Anlass dafür, weswegen der Fall in diesen Tagen vor dem Corte Suprema di Cassazione, dem Obersten Kassationsgerichtshof, neu aufgerollt wird. Verdächtig komme den Ermittlern vor allem vor, berichtete die Nachrichtengentur "Ansa", dass "Ruby" und eine weitere Escort-Dame seit dem Prozess auffällig ihren Lebensstandard verbessert hätten.
Sie nehme stets ein Taxi, wenn sie von ihrem Wohnort Genua ins 150 Kilometer entfernte Mailand fahre. Tochter, Partner und Freundinnen erhalten Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" zufolge oft teure Geschenke. Und die italienische Polizei soll mitgehört haben, als sie am Telefon nach Berlusconis Zuwendungen gefragt von fünf Millionen Euro gesprochen habe. Wie bei 20 weiteren Frauen wurde angeblich auch ihre Wohnung im Zuge der jüngsten Ermittlungen durchsucht.
Dabei hat sie ihr privates Glück offenbar gefunden. Im Dezember 2011 brachte sie ihre Tochter Sofia zur Welt. Vater ist ihr Verlobter Valter Rizzo, ein Diskotheken-Besitzer. Kaum etwas dringt seither über ihr Privatleben durch. Noch während des Prozesses machte sie knapp bekleidet TV-Werbung. Jetzt konzentriere sie sich voll auf ihre Rolle als Mutter, heißt es. Dies dürfte bei mutmaßlich gezahlten Millionenbeträgen nicht allzu schwer sein. Ob aber tatsächlich Geld - und wie viel - geflossen ist, muss erst der Prozess beweisen. Und, ob es nicht doch zu Intimitäten zwischen ihr und Italiens prominentesten Politiker kam. Ob sie will oder nicht.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.