• Im Sommer wird es ruhiger - diese Hoffnung hat uns in der fünften Corona-Welle lange begleitet.
  • Doch immer lauter werden die Stimmen, die vor vielen Infektionen im Sommer warnen.
  • Wie wahrscheinlich das ist und von welchen Faktoren es abhängt.

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Endlich ist es draußen wärmer und viele Menschen freuen sich auf den Sommer – auch deshalb, weil die vergangenen beiden Sommer trotz der Corona-Pandemie vergleichsweise entspannt waren. Ob sich das auch auf dieses Jahr übertragen lässt, ist allerdings unklar: Hatte Karl Lauterbach (SPD) vor einigen Wochen noch einen Super-Sommer prognostiziert, warnt der Bundesgesundheitsminister inzwischen vor einer Sommerwelle.

Auch Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, sprach im NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update" ähnlich wie Lauterbach von einer möglichen Welle im Sommer. Der Grund dafür ist die Omikron-Subvariante BA.2, die als infektiöser gilt als der ursprüngliche Omikron-Typ BA.1, der bereits sehr ansteckend war und in den vergangenen Wochen zu entsprechend hohen Infektionszahlen geführt hat.

Impfschutz und Lockerungen spielen eine Rolle

Schon jetzt lässt sich beobachten, dass die Coronafallzahlen in Deutschland nach einem kurzzeitigen Rückgang wieder stark ansteigen. Ein Forschungsteam der TU Berlin hatte am 23. Februar in einem Bericht unter Berücksichtigung der Variante BA.2 einen entsprechenden Anstieg zutreffend modelliert.

Die Forschenden geben in dem Bericht auch einen Ausblick auf die kommenden Wochen: Wie stark sich der Subtyp BA.2 verbreitet und wie stark die Fallzahlen weiterhin ansteigen, hängt demnach zum einen davon ab, wie gut Impfungen und vorherige Infektionen noch vor BA.2 schützen.

Zum anderen droht laut dem Bericht in den kommenden Wochen eine deutlich stärkere Welle als bisher, wenn Menschen wieder mehr Kontakte pflegen, wovon durch die geplanten Lockerungen ab dem 20. März auszugehen ist.

Bereits Omikron war eigentlich eine Sommerwelle

Das Problem ist vor allem, dass BA.2 sehr ansteckend ist. Im Sommer hilft daher das gute Wetter draußen allein womöglich nicht, um eine Welle zu verhindern: "Wenn die Menschen mehr Kontakte pflegen und zudem der Impfschutz in den kommenden Wochen nachlässt, droht uns eine starke Welle", sagt Malik Böttcher, Allgemeinmediziner und Leiter des Impfzentrums am Krankenhaus Havelhöhe in Spandau.

Viele Menschen sind bereits im November und Dezember geboostert worden – ihr Impfschutz gegen Omikron und dessen Varianten dürfte deshalb zum Sommer bereits stark nachgelassen haben.

"Und wir sollten auch nicht vergessen, dass Omikron in Südafrika ebenfalls eine Sommerwelle war. Wir sollten uns also nicht in falscher Sicherheit wiegen", sagt der Arzt. "Ich gehe davon aus, dass der saisonale Effekt, den wir sonst im Sommer hatten, diesmal nicht so stark sein wird."

Unklar, wie schwer Variante BA.2 im Vergleich verläuft

Er beobachte in seiner Praxis nach einem kurzen Rückgang nun ebenfalls wieder einen starken Anstieg der Fälle, sagt Böttcher. Das allein muss allerdings noch kein Problem sein – hohe Fallzahlen führen nicht zwingend zu der gefürchteten Überlastung des Gesundheitssystems.

Die Frage ist allerdings, wie schwer die Verläufe bei BA.2 sind: Bislang fehlen dazu noch aussagekräftige Daten. Eine Studie aus Japan, die den Krankheitsverlauf an Mäusen und Hamstern untersucht hat, beobachtet für BA.2 schwerere Verläufe und eine deutlich höhere Viruslast in der Lunge als bei der ursprünglichen Omikron-Variante.

Eine andere Studie, die die Krankheitsverläufe in Südafrika bei Menschen untersucht hat, hat hingegen kaum Unterschiede in der Schwere der Erkrankungen bei beiden Varianten gefunden.

Sorge mit Blick auf den Herbst

Grundsätzlich befürworte er auch mit der Variante BA.2 die nun anstehenden Lockerungen, sagt Böttcher. "Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem die meisten Menschen die Chance hatten, sich impfen zu lassen und sich damit vor einem schweren Verlauf zu schützen."

Die Frage bei den Lockerungen sei zudem gesamtgesellschaftlich, was die Gesellschaft aushalte und was man Kindern zumuten könne – sowohl in Bezug auf Einschränkungen und Schutzmaßnahmen wie auch mit Blick auf die Gefahr einer Ansteckung.

Insgesamt geht der Arzt davon aus, dass der Sommer mit Blick auf Coronainfektionen zumindest entspannter verlaufen wird als die vergangenen Wochen im Februar und März, wenn auch womöglich nicht so entspannt wie die Sommer 2020 und 2021.

"Ich mache mir eher Sorgen darum, dass wir wieder eine Herbstwelle bekommen, wenn weitere Mutationen von Delta oder Omikron entstehen."

Über den Experten:
Malik Böttcher ist Allgemeinmediziner und Leiter des Impfzentrums am Krankenhaus Havelhöhe in Spandau. Er ist für die Impfungen sowohl im Impfzentrum wie auch in seiner Praxis am Kleistpark in Berlin-Schöneberg im Einsatz.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Malik Böttcher, Allgemeinmediziner und Leiter des Impfzentrums am Krankenhaus Havelhöhe in Spandau.
  • Podcast: Das Coronavirus-Update von NDR Info, "It Ain't Over 'Til It's Over" (Folge 111 vom 1.3.2022)
  • Frederik Plesner Lyngse et. al.: Transmission of SARS-CoV-2 Omicron VOC subvariants BA.1 and BA.2: Evidence from Danish Households
  • Robert-Koch-Institut: COVID-19-Dashboard
  • Sebastian Alexander Müller et. al.: Modus-COVID Bericht vom 23.02.2022
  • Peter J. Halfmann et. al: SARS-CoV-2 Omicron virus causes attenuated disease in mice and hamsters, in: Nature (2022)
  • Nicole Wolter et. al: Clinical severity of Omicron sub-lineage BA.2 compared to BA.1 in South Africa

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