Rettungshelfer und Soldaten suchen drei Tage nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut weiter nach Opfern. Derweil werden immer mehr Personen festgenommen und befragt. Unter ihnen ist auch der frühere Besitzer des Frachtschiffs "Rhosus". Mit diesem soll das hochexplosive Ammoniumnitrat nach Beirut gebracht worden sein.

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Drei Tage nach der verheerenden Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut suchen Rettungshelfer und Soldaten weiter nach Opfern. Kräne und Bulldozer versuchten am Freitagmorgen, große Trümmerteile zu räumen.

"Wir geben alles, weil wir hoffen, noch Überlebende zu finden", sagte einer der Rettungshelfer, der zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben 48 Stunden im Einsatz war. Bislang seien jedoch nur Leichenteile gefunden worden.

Das libanesische Rote Kreuz geht davon aus, dass noch immer rund 100 Menschen vermisst werden. Dabei soll es sich vor allem um Hafenarbeiter handeln. Bei der Explosion am Dienstag waren mindestens 149 Menschen getötet worden, auch eine deutsche Diplomatin ist darunter. Rund 5.000 Menschen wurden verletzt.

Früherer Besitzer des Frachtschiffs "Rhosus" befragt

Nach der Katastrophe wurden bereits mehrere Personen festgenommen, darunter 16 Hafenmitarbeiter. Mehrere Verantwortliche des Hafens wurden unter Hausarrest gestellt. Das teilte der amtierende Militärrichter Fadi Akiki nach einem Bericht der NNA am Donnerstagabend mit.

Mehr als 18 Menschen seien befragt worden, darunter Mitglieder des Hafenvorstands, der Zollverwaltung sowie der frühere Besitzer des Frachtschiffs "Rhosus", Igor Gretschuschkin.

Die Befragung von Gretschuschkin sei auf Antrag der libanesischen Polizei geschehen, wie der Sprecher der zyprischen Polizei, Christos Andreou, am Freitag im Staatsradio sagte. Die libanesischen Behörden hätten den Zyprern "einige Fragen geschickt", die der 43-jährige Russe "gerne beantwortet" habe.

Welche Fragen das waren, sagte der Sprecher nicht. Die Antworten sollten rasch übersetzt und den libanesischen Behörden übermittelt werden. Der Russe mit einer Aufenthaltserlaubnis auf Zypern sei wieder frei, berichtete die zyprische Zeitung "Phileleftheros".

Vergleichbar mit Erdbeben der Stärke 3,5

Die heftige Explosion soll durch große Mengen Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die seit Jahren ohne Sicherheitsmaßnahmen im Hafen gelagert worden waren. Viele Libanesen sehen darin eine grobe Fahrlässigkeit der Verantwortlichen.

Das Frachtschiff "Rhosus" soll im Jahr 2013 2.750 Tonnen der Substanz in den Hafen von Beirut gebracht haben. Mehrere Verantwortliche des Hafens waren in den vergangenen Jahren für die Lagerung und Bewachung zuständig. Bisher wissen die Libanesen noch nicht, woher die Fracht stammte und wohin sie gebracht werden sollte.

Die Explosion hatte nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine Stärke von bis zu 1.100 Tonnen TNT-Äquivalent. Der Wert gibt die Zerstörungswirkung eines Sprengstoffs an.

Zum Vergleich: Die Explosionsenergie der 1945 über Hiroshima abgeworfenen Atombombe wird mit etwa 12.500 Tonnen TNT beziffert. Nach Angaben des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam war die Explosion mit einem Erdbeben der Stärke 3,5 vergleichbar.

Sprengstoffexperte Wolfgang Spyra von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus geht davon aus, dass mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur Ammoniumnitrat explodiert ist. Dies zeige die schwarze Wolke, die auf den Aufnahmen zu sehen ist.

"Die würde sich nicht alleine erklären lassen durch Ammoniumnitrat", sagte Spyra der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Vielleicht waren es pyrotechnische Artikel, die dort gelagert sind." Beide Materialien könnten etwa bei Schweißarbeiten entzündet worden sein. (ff/dpa)

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