Es ist aktuell einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Bundesrepublik. Im sogenannten Horror-Haus in Höxter soll das einstige Ehepaar Wilfried und Angelika W. zwei Frauen zu Tode gequält und mindestens ein halbes Dutzend Frauen schwer misshandelt haben. Heute beginnt in Paderborn (9 Uhr) der Prozess. Wer die Täter sind und was wir über den Fall wissen - und was nicht.
Das wissen wir über die Taten von Höxter
Die 47-jährige Angelika W. und ihr ein Jahr jüngerer Ex-Mann Wilfried W. sollen mehrere Frauen in einem Gehöft im Stadtteil Bosseborn im Süden der rund 30.000 Einwohner zählenden Stadt Höxter festgehalten und gequält haben. Zwei Frauen im Alter von 33 und 41 Jahren starben an den Folgen der Misshandlungen. Die Staatsanwaltschaft Paderborn wirft den beiden Angeklagten gemeinschaftlichen Mord durch Unterlassen in zwei Fällen vor.
Dabei geht die Anklage davon aus, dass das mutmaßliche Täterpaar aus niedrigen Beweggründen, grausam und zur Verdeckung einer Straftat handelte. Angelika W. ist zudem wegen versuchten Mordes angeklagt, beide haben darüber hinaus gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen zu verantworten. Eine aus Niedersachsen stammende 33-jährige Frau, das erste Opfer, starb am 1. August 2014 an den Folgen "schwerster körperlicher Misshandlungen".
Ihre Leiche sollen die mutmaßlichen Täter in eine Tiefkühltruhe gelegt, in kleine Stücke zerteilt und diese anschließend in einem Kaminofen verbrannt haben. Eine 41 Jahre alte Frau, das zweite Todesopfer, ebenfalls aus Niedersachsen stammend, starb am 21. April an den Folgen schwerer Misshandlungen.
Das wissen wir über die Täter von Höxter
Angelika W. könnte nicht nur Täterin, sondern auch Opfer sein. Laut "Stern" übergab sie ihrem Anwalt Peter Wüller eine handschriftliche Liste mit der Überschrift "Häufigkeit der Übergriffe von Wilfried auf Angelika W. in über 17 Jahren".
Akribisch genau sollen darauf mutmaßliche Übergriffe auf sie aufgelistet sein. Etwa 500 Mal soll er sie an den Haaren gezogen, 250 Mal gewürgt, etwa 50 Mal verbrüht haben. 15 Mal habe er sie demnach die Treppe heruntergeschmissen, 180 Mal soll er ihr die Brüste blutig gebissen haben, was er "Titten beißen" genannt haben soll.
70 Punkte lang soll die Liste sein. Angelika W. soll die Schuld demnach bis heute bei sich suchen. Wenn sie richtig mit ihm gesprochen, keine Fehler gemacht, ihn beim Sprechen immer angeschaut hätte, wäre nichts passiert, zitiert sie der "Stern". Wilfrid W. ist indes mehrfach vorbestraft. 1995 war er laut "Welt" wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung einer Frau zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Auch damals hatte er verschiedenen Medienberichten zufolge eine Komplizin.
Das wissen wir über den Stand der Ermittlungen zum Horror-Haus
Die zeitweise 40 Personen starke Mordkommission Bosseborn der Polizei in Bielefeld bearbeitete den Fall. Verdächtige und Opfer lernten sich den Ermittlern zufolge über Kontaktanzeigen kennen, die Wilfried W. in zahlreichen Zeitungen geschaltet haben soll. "Wir wissen von zwei getöteten Frauen und sechs Opfern, die noch am Leben sind", sagte Kriminalhauptkommissar Thorsten Stiffel der "Welt".
"Es kann sein, dass Frauen traumatisiert sind und sich bisher nicht gemeldet haben, aber es ist wohl nicht mehr damit zu rechnen, dass es eine sehr große Anzahl von weiteren Opfern gibt. Es gab auch Kontakte, da ist es beim Gespräch geblieben, teilweise kam es zu einvernehmlichem Sex, und dann ist nichts weiter passiert."
Wilfried W. soll rund 500 Frauen kontaktiert, mehr als 30 getroffen haben. Der Tod des zweiten Todesopfers in einem Krankenhaus im April machte auf die mutmaßlichen Straftaten aufmerksam. Die mutmaßlichen Täter wurden festgenommen, nachdem sie die schwerstverletzte Frau zurück nach Niedersachsen bringen wollten, auf der Fahrt mit ihrem Auto aber liegen blieben. Das Paar hatte einen Rettungswagen gerufen, angeblich, weil es überfordert war. Nach dem Tod der 41-jährigen Frau wurde die Polizei eingeschaltet.
Was wir zu den Vorfällen im Horror-Haus nicht wissen
Der Prozess soll ein wahrscheinliches Motiv greifbar machen. Der Paderborner Oberstaatsanwalt Ralf Meyer erklärte, dass es bei den Misshandlungen wohl um "Machtausübung" gegangen sei. Geklärt werden muss auch, ob Angelika W. tatsächlich selbst Opfer war und von wem die Taten letztlich ausgingen. Wilfried W. selbst bestreitet an der Folter der Frauen beteiligt gewesen zu sein.
Peter Wüller, Anwalt von Angelika W., sagt dagegen im Stern: "Sie hat eine Art Zwitterstellung eingenommen, einerseits ist sie Täterin, andererseits Opfer." Der Prozess dürfte neue Erkenntnisse liefern.
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