Wer als SS-Mann auf dem Wachturm eines Konzentrationslagers stand, hat sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht. Das stellt das Landgericht Hamburg 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft fest. Ein 93-jähriger Ex-Wachmann wird verurteilt - muss aber nicht in Haft.

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Das Landgericht Hamburg hat einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 93-Jährige Bruno D. in den Jahren 1944 und 1945 mehrere Monate zur Wachmannschaft des Konzentrationslagers Stutthof gehört hatte.

Die Jugendstrafkammer sprach den 93 Jahre alten Angeklagten am Donnerstag der Beihilfe zum Mord in 5.232 Fällen und wegen Beihilfe zu einem versuchten Mord schuldig. Der Prozess findet nach Jugendstrafrecht statt, weil der Mann zu Beginn der Tatzeit im Jahr 1944 erst 17 Jahre alt war.

"Wie konnten Sie sich bloß an das Grauen gewöhnen?" fragte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring den 93-Jährigen bei der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von drei Jahren Haft beantragt, die Verteidigung Freispruch gefordert.

In Danzig starben rund 65.000 Menschen

D. hatte damals seinen Dienst auf den Wachtürmen rund um das Lager bei Danzig versehen. Direkte Beteiligungen an Tötungen standen in dem seit Oktober laufenden Verfahren nicht im Raum.

In Stutthof bei Danzig hielt die SS während des Zweiten Weltkriegs mehr als hunderttausend Menschen unter elenden Bedingungen gefangen, darunter auch zahlreiche Juden. Schätzungsweise rund 65.000 starben.

Bereits zum Auftakt des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres hatte der 93-Jährige bestätigt, dass er von August 1944 bis April 1945 Wachdienst in dem Lager bei Danzig verrichtet hatte.

Er hatte betont, dass er nicht freiwillig Wachmann wurde. Als Wehrmachtssoldat sei er wegen eines Herzfehlers nicht frontdienstfähig gewesen und in das Lager abkommandiert worden. In seinem letzten Wort vor Gericht hatte er die Überlebenden und Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten.

KZ-Überlebende berichten von Gräueltaten vor Gericht

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren während der Dienstzeit des Angeklagten mindestens 5.230 Gefangene ermordet worden. 30 wurden in einer geheimen Genickschussanlage im Krematorium des Lagers getötet.

Mindestens 200 wurden in der Gaskammer und in einem verschlossenen Eisenbahnwaggon mit Zyklon B umgebracht. Wenigstens 5.000 Menschen starben in Folge der lebensfeindlichen Bedingungen im sogenannten Judenlager von Stutthof.

An dem Prozess waren rund 40 Nebenkläger beteiligt, unter ihnen 35 Überlebende des Konzentrationslagers. Vier von ihnen hatten persönlich im Gerichtssaal ausgesagt, zwei waren über eine Videoschaltung angehört worden.

Sie hatten von täglichen Misshandlungen wie Schlägen und stundenlangen Appellen, Hinrichtungen sowie von Hunger und einer Fleckfieber-Epidemie berichtet.

Weitere Verfahren zu NS-Verbrechen sind noch offen

Mit dem Urteil geht vorerst einer der letzten NS-Prozesse zu Ende. Ein weiteres Verfahren gegen einen anderen ehemaligen Wachmann in Stutthof könnte vor dem Landgericht Wuppertal beginnen.

Vor der Jugendstrafkammer wurde Mitte Juli ein 95 Jahre alter Mann angeklagt, wie ein Sprecher des Gerichts sagte. Es steht aber noch ein Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten aus.

Nach Angaben der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg führen die deutschen Staatsanwaltschaften insgesamt noch 14 Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen in Konzentrationslagern.

Offen seien drei Verfahren zu Buchenwald bei der Staatsanwaltschaft Erfurt und acht zu Sachsenhausen bei der Anklagebehörde in Neuruppin. Zudem beschäftige das Lager Mauthausen mit jeweils einem Verfahren die Staatsanwaltschaften München I und Berlin. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen eine ehemalige Schreibkraft im KZ Stutthof. (dpa/ank/thp)

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