- Im Koblenzer Prozess um Staatsfolter in Syrien ist das Urteil ergangen.
- Der Angeklagte Anwar R. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
- Es war laut Bundesanwaltschaft das erste Verfahren dieser Art weltweit.
Im nach Angaben der Bundesanwaltschaft weltweit ersten Strafprozess um Staatsfolter in Syrien ist der Angeklagte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 27-fachen Mordes und weiterer Delikte zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das entschied das Oberlandesgericht Koblenz am Donnerstag.
Auf der Anklagebank saß ein ehemaliger Vernehmungschef in einem syrischen Geheimdienst-Gefängnis. Der Beschuldigte war laut Anklage früher Mitarbeiter des Geheimdiensts des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und soll ein Gefängnis geleitet haben.
Mehr als 80 Zeugen sagten im Prozess aus
Das Verfahren mit mehr als 80 Zeugen sowie einer Reihe von Folteropfern als Nebenkläger hatte international Aufsehen erregt. Die Bundesanwaltschaft warf dem Angeklagten Anwar R. Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2011 und 2012 in der Anfangsphase des syrischen Bürgerkrieges vor.
In der Al-Khatib-Haftanstalt in der syrischen Hauptstadt Damaskus sollen unter der Befehlsgewalt des Angeklagten zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4.000 Häftlinge mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Viele starben dabei.
Das Urteil entsprach weitgehend der Forderung der Bundesanwaltschaft, die in dem weltweit mit Aufmerksamkeit verfolgten Prozess die Anklage vertreten hatte. Die Verteidigung forderte Freispruch.
Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hatte R. als militärischer Befehlshaber die Vernehmungsbeamten und Gefängniswärter zum Dienst in dem berüchtigten Gefängnis eingeteilt und ihre Arbeitsabläufe bestimmt. Er habe auch über das Ausmaß der Folterungen Bescheid gewusst. Die Misshandlungen hätten dazu gedient, Geständnisse zu erzwingen und Informationen zu erlangen, betonte die Behörde dabei.
Ein zweiter Angeklagter wurde wegen Beihilfe verurteilt
In dem im April 2020 gestarteten Prozess war auch ein zweiter Mann angeklagt, der als Untergebener an den Folterungen beteiligt war. Ihn verurteilte das Gericht bereits vor fast einem Jahr im Februar 2021 in einem abgetrennten Verfahren wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ins Rollen war der Fall gekommen, weil nach Deutschland geflüchtete frühere Opfer ihre mutmaßlichen Peiniger wiedererkannt hatten. Diese wurden im rheinland-pfälzischen Zweibrücken sowie in Berlin festgenommen. Dass der Prozess in Deutschland stattfindet, liegt am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Demnach dürfen auch Taten verhandelt werden, die keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben. (dpa/AFP/ank)
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