Am Donnerstag hat ein Mann auf eine Mitarbeiterin des Jobcenters im baden-württembergischen Rottweil eingestochen. Die genauen Hintergründe der Tat sind noch unklar. Doch der mutmaßliche Täter hat etliche Spuren im Internet hinterlassen – und die Attacke wohl mehrmals angekündigt.

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Der Mann, der am Donnerstag eine 50-jährige Mitarbeiterin im Rottweiler Jobcenter mit einem Messer attackierte, hat seinen Angriff offenbar vorher im Internet angekündigt. Bei der Tat wurde die Frau so schwer verletzt, dass sie mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen und notoperiert werden musste.

Bislang war eine Vernehmung des Opfers nicht möglich, wie die Polizei am Freitagmittag mitteilte. Eine persönliche Vorbeziehung des Täters zum Opfer habe nicht bestanden, der Mann habe sich bislang nicht zum Tatgeschehen geäußert.

Hinweise zu den Hintergründen könnte nun ein im August 2018 angelegtes Twitter-Profil geben, das wohl den Klarnamen des Täters trägt. Darauf gibt es Hinweise, die darauf hindeuten, wie sich der 58-Jährige radikalisierte: Am 10. Dezember schreibt der Nutzer mit Bezug auf eine Nichtübermittlung eines Weiterbewilligungsantrages eines nicht näher bezeichneten Jobcenters: "Das wird tötlichen verlauf nehmen (Alle Fehler im Original)". Am 29. Dezember twittert er "16.01.20" und dazu ein Messersymbol. Und nur einen Tag vor der Tat, am Mittwoch, kündigt er schließlich an: "Ich werde morgen eine Person des Jobcenters Töten".

Unter anderen veröffentlichte die Thüringer Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss einige Screenshots der Tweets. Twitter hat das Profil mittlerweile gesperrt.

Rottweil: Hinweise an die Kriminalpolizeidirektion weitergeleitet

Ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Konstanz wollte auf Nachfrage unserer Redaktion nicht bestätigen, dass das Profil tatsächlich zu dem Mann gehört, der am Donnerstag auf eine Mitarbeiterin des Jobcenters in Rottweil einstach. "Zu der von Ihnen benannten Twitter-Adresse geben wir bislang keine Auskünfte", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Der Umstand, "dass der Tatverdächtige die Tat über seinen persönlichen Zugang zu einem Sozialen Netzwerk ankündigte", sei aber Gegenstand der Ermittlungen der Kriminalpolizei.

Es gibt gleich mehrere Indizien, die für eine Verbindung sprechen: Zum einen wurden auf dem Profil Informationen veröffentlicht, die mit einem älteren Zeitungsartikel einer Lokalzeitung übereinstimmen, in dem der 58-Jährige zu Wort kommt. So stimmt unter anderem der Name überein, auch der offenbar frühere Arbeitsplatz. Zudem wurde auf dem Kanal vorab ein anscheinend offizielles Schreiben für einen Beratungstermin im Rottweiler Jobcenter veröffentlicht. Dort stimmen unter anderem Datum, Uhrzeit und Ort mit der Polizeimeldung überein.

Mehr noch: Nur wenige Minuten nach seiner Tat veröffentlichte der Mann noch eine weitere Nachricht auf Twitter: "Drei Stiche, warte auf Polizei". Dieser Tweet wurde zu einer Zeit abgesetzt, wo über die Tat noch nicht öffentlich berichtet wurde. Tatsächlich ließ sich der 58-Jährige im Erdgeschoss des Jobcenters durch eintreffende Polizeibeamte widerstandslos festnehmen. Zuvor hatte er eine Mitarbeiterin gebeten, die Polizei zu verständigen. Beamte stellten bei ihm das Tatmesser sicher.

Antisemitische und rechtsextreme Tweets

Der 58-Jährige sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eingeleitet.

Neben etlichen wirren Tweets, insgesamt über 4.000, veröffentlichte er auch mehrere antisemitische und rechtsextreme Nachrichten: Abgeordnete würden "in Parlamente nur Scheisse aus dem Hals" lassen und wegen der "Kriecher in der Regierung Deutschlands" werde "es noch sehr sehr eng und tötlich".

Mehrere rechte YouTuber bat er zudem am Dienstag, "auf meine kleine Mietparzelle ein Auge zu werfen und wenn möglich erhalten". Dort würden diese "Ordner meiner Schriften" finden. Rechtsterroristen wie die Attentäter von Halle oder Christchurch hatten ihre Taten in langen Pamphleten zu rechtfertigen versucht.

Zu einem möglicherweise antisemitischen und rechtsextremen Hintergrund wollte sich die Polizei gegenüber unserer Redaktion nicht äußern. Laut Staatsanwalt Grundke ist der 58-Jährige bisher polizeilich nicht aufgefallen.

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