Angriff nach dem Anpfiff: In Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt verletzt ein 27-Jähriger zwei Menschen auf einem kleinen Hoffest schwer. Kurz zuvor soll er einen Mann erstochen haben. Das Motiv ist unklar.

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Während Millionen Menschen in Deutschland beim EM-Eröffnungsspiel mitfiebern, spielt sich in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt ein Drama ab: Ein 27-Jähriger dringt am Freitagabend auf ein Privatgrundstück in einer Einfamilienhaussiedlung ein und attackiert mehrere Menschen auf einer kleinen Gartenparty - laut Polizei mit einem "messerähnlichen Gegenstand". Eine 50-Jährige und ein 75-Jähriger werden schwer verletzt, ein 56 Jahre alter Mann leicht.

Die Partygäste hatten sich im Hof getroffen, unter anderem um das Spiel Deutschland gegen Schottland zu sehen. Zum Angriff kommt es laut Polizei kurz nach dem Anpfiff gegen 21 Uhr. Wenig später treffen alarmierte Beamte ein - zwei Polizisten schießen, als der Mann auch sie mit einem messerähnlichen Gegenstand angriff. Er stirbt im Krankenhaus.

Zuvor soll der aus Afghanistan stammende Mann nach Polizeiangaben in einem nicht weit entfernten Mehrfamilienhaus in einer Plattenbausiedlung einen 23-Jährigen angegriffen und verletzt haben. Der Mann, ebenfalls afghanischer Staatsangehöriger, starb nach Angaben der Polizei noch am Abend im Krankenhaus an seinen Verletzungen.

Das Warum bleibt weiter unklar

Die Polizei hat zwei Messer gefunden, die als Tatwaffen in Betracht kommen. Jeweils eins sei unweit der zwei Tatorte gefunden worden. Zu dem Motiv des 27-Jährigen konnten die Beamten auch zwei Tage nach der Tat keine genauen Angaben machen. Hinweise auf einen religiösen oder terroristischen Hintergrund gebe es nicht, erklärten die Beamten auf einer Pressekonferenz in Magdeburg.

Bei einem ersten Notruf kurz nach 21 Uhr berichtete eine Frau der Polizei von dem Mann, der schwarz gekleidet durch die Innenstadt von Wolmirstedt laufe und sich auffällig verhalte. Die rund 12.000 Einwohner zählende Kleinstadt liegt nördlich von Magdeburg. Der Mann schrie demnach vorbeifahrende Autos und Personen an und hatte ein Messer dabei. Es sollte noch geklärt werden, ob er möglicherweise Alkohol getrunken oder Drogen genommen hatte. Die Party war nach Einschätzung der Polizei ein Zufalls-Tatort. Der 27-Jährige sei vermutlich durch die Partystimmung angelockt worden.

Kurz nach dem Anpfiff drang der Mann laut Polizei in das Privatgrundstück eines Einfamilienhauses ein und attackierte mehrere der 16 Partygäste. Nach Angaben der Polizei schwebt keiner der drei Verletzten in Lebensgefahr, zwei der Opfer seien bereits aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Als wenige Minuten nach dem Notruf die ersten alarmierten Beamten eintrafen, griff der 27-Jährige auch diese mit einem Messer an, zwei Polizisten machten von der Schusswaffe Gebrauch. Der Täter starb kurz darauf. Gegen die Polizisten, die auf den Angreifer geschossen haben, sei - wie in Fällen von polizeilichem Schusswaffengebrauch üblich - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Neue Erkenntnisse über den Täter

Den Angaben zufolge war der Täter Ende 2022 nach Deutschland eingereist, hatte 2023 Asyl beantragt. Zu schweren Straftaten oder auffälligem Verhalten hat die Polizei keine Erkenntnisse. Zuletzt habe er in Stendal gewohnt. Ein Verfahren gegen ihn wegen Erschleichens von Leistungen sei eingestellt worden, wegen womöglich nicht erlaubter Einreise war noch ermittelt worden. Darüber hinaus habe es keine Polizei-Einsätze oder Verfahren im Zusammenhang mit dem Mann gegeben, heißt es.

Der gebürtige Afghane sowie sein 23-jähriges Opfer, ebenfalls Afghane, lebten schon länger in Deutschland. Details müssten noch ermittelt werden.

Nachbarn halten Schüsse zunächst für Böller

Die dramatischen Minuten bekommt auch die Nachbarschaft in der als ruhig geltenden Einfamilienhaussiedlung mit. "Der Schock sitzt bei uns noch ziemlich tief", sagt ein Ehepaar. Am Abend habe das Paar selbst Fußball geschaut, als sie zwei Schüsse hörten. "Das zweite Tor war gerade gefallen, wir dachten, dass jemand vor Freude einen Böller losgelassen hat", sagte der Mann. Als sie aus dem Fenster schauten, hätten sie den Rettungsdienst gesehen und einen Mann, der in der Nähe der Auffahrt gelegen habe.

Auch in der nicht weit entfernten Plattenbausiedlung zeigen sich Anwohner am Samstagmorgen bestürzt. Eine Frau aus einem Nachbarblock diskutiert mit Bekannten über das Geschehen, als sie den Müll wegbringt. Ihre Anteilnahme ist groß, nicht nur, weil sie hier wohnt. Ihr Enkel sei als Polizist bei dem Einsatz dabei gewesen, sagt die Frau. "Ich kriege eine Gänsehaut nach der anderen." Eine andere Frau sagt, "ganz schrecklich" sei das.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang reagierte bestürzt auf die Messerattacke. "Ich bin zutiefst entsetzt über den unberechenbaren und schrecklichen Angriff. Meine Gedanken sind bei den Opfern und allen Beteiligten, die nicht nur körperliche, sondern auch psychische Schäden davontragen", sagte die CDU-Politikerin am Samstagnachmittag. Die Innenministerin verwies darauf, dass die Polizeipräsenz im Land nach dem Vorfall erhöht wurde. Zudem liefen "umfangreiche und konzentrierte" Ermittlungen. (dpa/tha/cgo)

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