In der Mannheimer Innenstadt greift ein Mann an einem Stand der islamkritischen Bewegung Pax Europa mehrere Menschen mit einem Messer an. Mittlerweile ist Haftbefehl gegen ihn erlassen worden.
Einen Tag nach der Messerattacke bei einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa in Mannheim versuchen die Ermittler weiter zu klären, wie es zu der Bluttat kommen konnte. "Was uns am meisten umtreibt, ist die Frage nach dem Motiv", hieß es aus dem baden-württembergischen Landeskriminalamt.
Haftbefehl gegen mutmaßlichen Täter erlassen
Der von der Polizei niedergeschossene Täter sei operiert worden und zurzeit nicht vernehmungsfähig, die Suche nach seinen Beweggründen daher bislang nicht vorangekommen.
Am Samstag wurde Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Ihm wird versuchter Mord zur Last gelegt, wie die Staatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg am Samstag mitteilten.
Ermittler nennen Details zum Messerangriff
Der mutmaßliche Täter lebe seit 2014 in Deutschland. Er sei verheiratet, habe zwei Kinder und sei zuletzt im hessischen Heppenheim wohnhaft gewesen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll es sich bei dem Mann um einen 25-Jährigen aus Herat in Afghanistan handeln.
Die Wohnung des in Afghanistan geborenen Mannes sei am Freitagabend durchsucht worden. Dabei wurden auch elektronische Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Bislang sei der Mann polizeilich nicht in Erscheinung getreten, hieß es.
Zahlreiche Fragen zum Messer sind noch ungeklärt
Der Täter hatte am Freitagvormittag Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz angegriffen und sechs Menschen verletzt, darunter einen Polizisten, der in ein künstliches Koma versetzt wurde. "Er schwebt weiterhin in Lebensgefahr", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts am Samstag.
Bei den weiteren verletzten Personen handelt es sich den Angaben zufolge um fünf Männer im Alter von 25 bis 59 Jahren. Unter ihnen befinden sich ein deutsch-kasachischer sowie ein irakischer Staatsbürger, die übrigen drei Personen haben die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der 25-Jährige konnte das Krankenhaus zwischenzeitlich wieder verlassen, die anderen Opfer befinden sich weiterhin in stationärer Behandlung. Ein 54-Jähriger wurde bei der Attacke lebensbedrohlich verletzt, befindet sich zwischenzeitlich jedoch außer Lebensgefahr.
Angegriffenes Vorstandsmitglied meldet sich aus Krankenhaus
Nach Darstellung der Schatzmeisterin der Organisation, Stefanie Kizina, wurde auch das Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger verletzt. Kizina sagte, die Attacke sei gezielt gegen den 59-Jährigen gerichtet gewesen, der mit einem Messer im Gesicht verletzt worden sei. Der "Bild"-Zeitung sagte sie: "Er wurde am Bein und im Gesicht getroffen, wird notoperiert. Lebensgefahr besteht offenbar nicht."
Stürzenberger, einer der führenden Köpfe des Vereins, hat sich inzwischen selbst aus dem Krankenhaus zu Wort gemeldet: "Es war richtig knapp gestern", schrieb der 59-Jährige am Samstagvormittag in einer Nachricht mit Foto auf der Plattform Telegram. Er habe mehrere Stichverletzungen erlitten, eine davon im Oberschenkel habe "erheblichen Blutverlust" verursacht.
Aus dem LKA heißt es, zahlreiche Fragen seien noch ungeklärt und Gegenstand der Ermittlungen. "Was ist das für ein Messer? Woher stammt das? Hat er das Messer gekauft?" – über die Antworten darauf wolle man auch herausfinden, ob der Festgenommene die Tat geplant oder ob es sich um einen spontanen Angriff gehandelt habe. Die für politische Delikte zuständige Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt in dem Fall.
Internet-Videos zeigen Tatgeschehen
Schon kurz nach dem Angriff kursierte ein Video von der Tat im Internet: Darauf ist zu sehen, wie der Angreifer auf mehrere Menschen einsticht. Umstehende rufen: "Das Messer weg!" Zu sehen ist auch, wie ein Beamter auf den Angreifer schießt. Mehrere Polizisten fixieren den Mann danach auf dem Boden. Nach Angaben von Polizei, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt wurde nur ein Schuss abgegeben.
Auf der Plattform X kursiert mittlerweile ein zweites Video des Angriffs. Die Bilder zeigen einen anderen Ablauf als den, den die Ermittler zunächst geschildert hatten.
Anders als von den Ermittlern behauptet, sieht man in der Szene nicht, wie der Polizist einen Verletzten aus dem Gefahrenbereich bringt. Das Video zeigt, dass zwei Männer den Täter bereits am Boden festhielten. Dann kommt ein weiterer Mann mit blauer Jacke hinzu und fängt an, auf einen dieser beiden Männer einzuschlagen. Auf diesen prügelnden Mann mit blauer Jacke stürzt sich dann der Polizist. Dadurch konnte sich der Täter befreien und auf den Polizisten einstechen.
Kanzler Scholz: "Die Bilder aus Mannheim sind furchtbar"
Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen. Auch Kanzler
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich entrüstet. "Ich verurteile die Tat in Mannheim aufs Schärfste!", schrieb seine Sprecherin Cerstin Gammelin in Steinmeiers Namen auf X. "In unserer Demokratie darf kein Platz für Gewalt sein – Gewalt zerstört Demokratie. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut."
Vizekanzler Robert Habeck sprach von "furchtbaren Szenen der Gewalt". Die Umstände des Verbrechens müssten nun schnell aufgeklärt werden, sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) bezeichnete den Messerangriff als Terrorattacke und erklärte dazu: "Im Namen der Stadt Mannheim und der Mannheimer Stadtgesellschaft verurteile ich diese niederträchtige, brutale Terrorattacke im Rahmen einer islamkritischen Veranstaltung auf das Schärfste."
Pax Europa plant weitere Veranstaltungen
Die islamkritische Bewegung Pax Europa will auch nach der Messerattacke bei weiteren Veranstaltungen öffentlich auftreten. Am kommenden Samstag (8. Juni) sei ein Stand an der Katharinentreppe in der Dortmunder Innenstadt geplant, sagte Kizina der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Sie gehe davon aus, dass die Polizei "sicher die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen wird". Einen eigenen Sicherheitsdienst sehe Pax Europa nicht vor.
Stürzenberger wird vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet
Die BPE beschreibt sich auf ihrer Website als "Menschenrechtsorganisation", die "über Wesen und Ziele des Politischen Islam" aufkläre. Dabei macht die BPE keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus – beiden schreibt sie unter anderem "aggressive Verachtung und Intoleranz" zu.
Der Politikwissenschaftler Stürzenberger war zeitweise Pressesprecher der CSU in München. Später stieg er bei der islamkritischen Partei Die Freiheit ein, die 2016 aufgelöst wurde. Sowohl Stürzenberger als auch der BPE-Landesverband Bayern werden vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. (ff/ms/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.