Rom versinkt im Dreck. Auch nach Jahren öffentlicher Bemühungen hat sich daran nicht viel geändert. Schafft es Italiens Hauptstadt, sauber zu sein, wenn zum Jubiläumsjahr Millionen zusätzliche Touristen vor den Stadttoren stehen?

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Die Ewige Stadt stinkt bis zum Himmel. In Marconi im Südosten von Rom quellen wieder einmal die Müllcontainer über. Auf dem Bürgersteig türmen sich Abfallsäcke, die langsam verwittern. Eine braune Brühe fließt über den Gehweg, vorbei an Schrott, Möbelstücken und nassen Windeln.

Szenen wie diese sind in Rom nichts Neues: Die Vier-Millionen-Metropole bekommt ihr Müllproblem nicht in den Griff. Roms Einwohner verursachen jeden Tag rund 6.000 Tonnen Abfall. Und vieles davon bleibt einfach liegen. Seit das Magazin "Time Out" Italiens Hauptstadt vor wenigen Jahren als "dreckigste Stadt der Welt" kürte, hat sich daran nicht viel geändert.

Zwischen Pantheon und Kolosseum ist die Situation noch erträglich. Touristen hinterlassen Berge an Pizzakartons, Eisbecher oder Trinkflaschen. Doch nachts rückt die Stadtreinigung an und räumt wieder auf. Abseits der Sehenswürdigkeiten ist das anders: In Pigneto und Centocelle im Osten der Stadt sind die Straßen und Parks übersät mit Unrat. Volle Container werden tagelang nicht geleert, weil die Müllabfuhr einfach nicht kommt.

Ratten, Möwen und Wildschweine schlemmen im Abfall

Am schlimmsten ist die Situation im Sommer, wenn der Gestank durch die Hitze unerträglich wird. Die Bürgermeister der Stadtteile stellten schon Hilfsgesuche an die Kommune. Verzweifelte Anwohner posten Jahr für Jahr Fotos und Videos in Sozialen Medien. Immer häufiger stecken Unbekannte die Abfallberge in Brand. Ratten und Möwen schlemmen in dem Unrat. Zeitweise lockt der Dreck sogar die Wildschweine in die Stadt.

Im vergangenen Jahr hatten römische Prominente genug. In den Sozialen Medien riefen sie Roms Bürgermeister dazu auf, endlich zu handeln. "Ich flehe inzwischen das Militär an", so Moderatorin Gaia Tortora auf X. "Diese Stadt ist unregierbar. Sie stinkt. Sie ist dreckig. Und gefährlich."

Der Sozialdemokrat Roberto Gualtieri hatte bei seinem Amtsantritt 2022 versprochen, die Stadt "bis Weihnachten zu säubern". Daraus wurde nichts. Auch seine Vorgängerin von der Fünf-Sterne-Bewegung war an der Müllkrise gescheitert. Das Chaos ist chronisch, ein Grund dafür ist das marode Müllunternehmen der Stadt. Jahrelanges Missmanagement, Korruption und Bestechung haben ihre Spuren hinterlassen. Erst vor wenigen Monaten musste Gualtieri erkennen, dass 246 von 596 Müllautos gar nicht funktionierten. Weil ihnen schlicht die Fahrzeuge fehlten, wurden also Dutzende Mitarbeiter fürs Nichtstun bezahlt.

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Müllanlagen in Brand

Aber die Stadt verfügt auch über viel zu wenige Anlagen und Deponien. Über Jahrzehnte landete der Abfall der Römer auf einer Riesen-Deponie im Westen der Stadt. Die Betreiber scherten sich bei der Bearbeitung des Abfalls nicht viel um EU-Richtlinien, Brüssel klagte Italien deswegen vor dem Europäischen Gerichtshof an.

2013 wurde die Halde geschlossen, gegen den Besitzer wurde ermittelt. Der Verdacht, dass die Mafia an der illegalen Müllwirtschaft der Stadt verdient, hat sich zuletzt erhärtet. Mehrere Anlagen sind in den vergangenen Jahren durch Brände zerstört worden. Nach einem weiteren Großbrand an Heiligabend ermittelt die Öko-Mafia-Kommission.

Müll wird nach Amsterdam geschickt

Wohin also mit den Tausenden Tonnen Abfall? In Rom wird gerade mal die Hälfte des Unrats getrennt. Viele Einwohner kennen die Regeln dazu gar nicht. Schon lange bringt die Stadt ihren Müll in andere Regionen des Landes. Seit April letzten Jahres schickt Rom den Müll auch ins Ausland. Mit dem Zug reisen rund 900 Tonnen Müll pro Woche über die Schweiz und Deutschland bis nach Amsterdam. Der Deal sorgt für Ärger im Alpenland. In der Schweiz fahren die Züge durch Ceneri- und Gotthard-Tunnel die Strecke der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale entlang. Das Mammut-Verkehrsprojekt, auch Alptransit genannt, ist der ganze Stolz der Schweizer.

Für den Nationalrat Bruno Storni ist der Mülltransport daher absoluter "Wahnsinn". "Dafür haben wir den Alptransit nicht gebaut", schimpfte er. Seiner Ansicht nach müssen jetzt die Schweizer für das römische Müllchaos zahlen: Der Staat subventioniert die Bahnstrecke mit Steuergeldern von jährlich 70 Millionen Franken.

Dabei ist der Export von Müll an sich nicht ungewöhnlich. Deutschland bringt jährlich Hunderttausende Tonnen an Müll ins Ausland und steht nicht zuletzt wegen der hohen Plastikmüll-Exporte nach Asien in der Kritik. Doch macht Rom mit dem Export in die Niederlande natürlich keinen Gewinn. Im Gegenteil, dort wird der Abfall verbrannt, die gewonnene Energie an niederländische Haushalte verkauft. Italiens Hauptstadt zahlt dafür wöchentlich rund 180.000 Euro.

Wird Rom bis zum Heiligen Jahr sauber?

Bürgermeister Gualtieri will dem ein Ende setzen. Ende des Jahres beginnt in Rom das Jubiläumsjahr der katholischen Kirche. Menschen aus aller Welt werden zu dem Großereignis erwartet. Dafür will die Ewige Stadt frisch sein: Für Milliardensummen baut Italien derzeit die Verkehrswege zwischen Tiber und Petersdom um. Rom soll ein "grünes und nachhaltiges" Modell werden.

Neue Müllautos werden angeschafft, tausende Mülltonnen aufgestellt. Ganz oben auf der Liste steht der Bau einer Müllverbrennungsanlage, die 600.000 Tonnen Müll im Jahr vernichten soll. Gegen eine solche Anlage hatten sich Umweltschützer und Anwohner über Jahre gewehrt. Jetzt scheint sie beschlossene Sache.

Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Die Arbeiten auf Roms Straßen und Plätzen gehen nur langsam voran. Damit sich an der Situation wirklich etwas ändert, müssten sich die Römer an die eigene Nase fassen. Viele scheren sich einen Dreck um die Sauberkeit ihrer Stadt und schmeißen ihren Müll achtlos auf die Straße. Eine kaputte Waschmaschine einfach im Straßengraben zu entsorgen, ist in Rom immer noch Sitte. Die Stadt rechnet im Jubiläumsjahr mit 35 Millionen Pilgern. Wahrscheinlich pilgern sie an Abfallbergen vorbei.

Verwendete Quellen:

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