Der Klimawandel fordert Opfer. Nun hat es das indigene Volk der Guna in Panama erwischt. Sie wurden von einer kleinen Insel auf das Festland umgesiedelt, weil die Insel wegen des Anstiegs des Meeresspiegels Gefahr läuft, bis 2050 überflutet zu werden.

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Der Name Krabbeninsel, in der Sprache der Guna "Gardi Sugdub", klingt nach Idyll. Tatsächlich aber ist das fünf Hektar große Eiland vor der Küste, das nur einen Meter über dem Meeresspiegel liegt, in vielerlei Hinsicht das Gegenteil. Auf engstem Raum lebten dort 1.300 Menschen, meist in engen Bretterbuden, oft mehrere Personen auf wenigen Quadratmetern.

Eine Bevölkerungsdichte wie in Singapur oder Monaco

Das entspricht einer Bevölkerungsdichte, wie man sie sonst nur aus Singapur, Hongkong oder Monaco kennt. Wobei die Bedingungen ziemlich schlecht waren: Eine marode Wasserleitung versorgte die Menschen zwar mit Wasser, aber oft drang Salzwasser ein, machte das Wasser untrinkbar. Durch die Enge traten vermehrt Krankheiten wie Tuberkulose auf. Auch die Covid-Pandemie hatte den Guna zugesetzt. Ein Abwassermanagement existierte nicht. Abwässer liefen ungefiltert in das Meer, das für die Guna, die im Wesentlichen vom Fischfang leben, die Lebensgrundlage ist.

Nicht nur die Hütten waren winzig, auch die kleine Schule platzte aus allen Nähten. Es war kein Platz, um sich zu bewegen. Folge: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht waren bei den Bewohnern weit verbreitet. Kurzum bestand aus humanitären Gründen akuter Handlungsbedarf – auch unabhängig von der Bedrohung durch das steigende Meer und die schon jetzt häufig auftretenden Überflutungen und Stürme.

Flucht vor Moskitos und kolonialer Bevormundung

Die Guna waren bereits vor rund 200 Jahren vom panamaischen Festland auf die Krabbeninsel geflohen. Sie wollten den von Moskitos übertragenen Infektionskrankheiten, aber auch kolonialer Bevormundung entkommen. Die Bevölkerung wuchs mit der Zeit. Den endlichen Raum versuchten die Indigenen mit Aufschüttungen zu vergrößern. Dazu benutzten sie alles Mögliche: Zement, aber auch Müll und Korallen aus dem Meer. Doch ein Meeresspiegel, der im Schnitt jährlich um drei bis vier Millimeter ansteigt, hätte auf Dauer auch diese Bemühungen zunichtegemacht.

Vor wenigen Tagen verkündete Panamas Präsident Laurentino Cortizo in einem X-Post den Umzug der Guna auf das Festland. Unweit der Küste, aber weit genug entfernt, um vor Wasser geschützt zu sein, entstanden 300 Häuser, eine Schule und eine medizinische Einrichtung. Die Häuser bestehen jeweils aus zwei Schlafzimmern, einem Wohn- und Esszimmer, einer Küche, einem Bad und einer Waschküche – alle mit Wasser- und Stromanschluss. Jedes Haus ist etwa 41 Quadratmeter groß.

Immer wieder Verzögerungen bei Umsetzung des Projekts

Das Projekt war von der Regierung finanziert worden und hat rund 12,2 Millionen Dollar gekostet. Es war ein langfristiges und vor allem langwieriges Projekt. 2010 wurde die Idee erstmals diskutiert. Zeitlicher Vorlauf war eingeplant, um den Menschen auch Zeit zu geben, sich an den Gedanken des Umzugs zu gewöhnen. Dazu wurde ein Neighbourhood Committee eingerichtet.

Doch der Umzug verzögerte sich immer wieder. Zuletzt hatte das Bauministerium im September 2023 den Umzug für Anfang dieses Jahres versprochen. "Die Gemeindemitglieder haben viele Jahre lang darauf gewartet, dass die Regierung ein Versprechen nach dem anderen einhält. Es war nicht eine einzige Verzögerung, sondern die kumulative Wirkung vieler unerfüllter Versprechen über eineinhalb Jahrzehnte, die zu Frustration führte", sagt Erica Bower, die für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) den Umsiedlungsprozess beobachtete und begleitete, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Geteiltes Fazit und neue Herausforderungen

Bower zieht ein gemischtes Fazit. "Wird es eine Verbesserung für das Volk der Guna sein? Das hängt davon ab, wen und wann Sie fragen, und auch davon, was Sie unter Verbesserung verstehen. Wenn Sie den Schutz vor dem Anstieg des Meeresspiegels und vor Überschwemmungen an der Küste meinen, dann ja. Wenn Sie den Zugang zu Bildung meinen, ja. Wenn Sie den Erhalt der traditionellen Lebensgrundlage, der Fischerei, meinen, vielleicht nicht. Wenn Sie den Fortbestand der kulturellen Praktiken, des Erbes, der Sprache und der Lebensweise der Guna-Indianer meinen, vielleicht nicht."

Der neue Standort könnte neue Herausforderungen mit sich bringen, darunter Lücken beim Zugang zu Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, sanitäre Einrichtungen, Wasser, zudem neue Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel, etwa Erosion bei starken Regenfällen, Hitze, höheres Malariarisiko. Aber auch Herausforderungen für die Rechte der Guna auf Lebensunterhalt und Kultur. "Es wird sich erst mit der Zeit zeigen, ob die Guna-Bevölkerung diesen Schritt als eine Verbesserung empfindet, und nicht die gesamte Gemeinschaft wird damit einverstanden sein", sagt Bower.

38 weitere Guna-Gemeinden vom Meeresanstieg bedroht

Gardi Sugdub ist nicht die einzige Insel, die sich mit dem Meeresanstieg konfrontiert sieht. Schätzungsweise 38 weitere Gemeinden allein in der Region Guna Yala sowie weitere in ganz Panama sind bereits vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen und erwägen, Unterstützung für eine geplante Umsiedlung zu beantragen. Weltweit haben schätzungsweise 400 Gemeinden ihre Umsiedlung bereits abgeschlossen oder planen sie gerade – wegen der Gefahren durch Naturkatastrophen, von denen viele durch den Klimawandel noch verschärft werden.

Der Fall Gardi Sugdub gibt jedoch einen Einblick, wie eine von der Gemeinde geleitete und von der Regierung unterstützte geplante Umsiedlung im Rahmen der Klimaanpassung aussehen kann. "Panama sollte die Lehren aus diesem Fall ziehen und eine nationale Politik entwerfen, um die Menschenrechte bei künftigen klimabedingten, von den Gemeinden geplanten Umsiedlungen besser zu schützen", findet Bowers.

Insgesamt leben etwa 80.000 Mitglieder der indigenen Volksgruppe Guna in Panama, davon die Hälfte auf dem Festland in der autonomen Region Guna Yala. Die andere Hälfte wohnt auf den umliegenden Inseln.

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