- Vor rund 40 Jahren wurde Anselm Bilgri vom späteren Papst Joseph Ratzinger zum katholischen Priester geweiht.
- Heute ist der Ex-Mönch aus der katholischen Kirche ausgetreten und will nun einen Mann heiraten.
- Da wird das Private politisch - im doppelten Sinn.
Sein ganzes Leben lang war Anselm Bilgri engstens verbunden mit der römisch-katholischen Kirche. Als Bub war er Ministrant, später Mönch und sogar Prior des berühmten, oberbayerischen Klosters Andechs. Zum Priester geweiht wurde er vor rund 40 Jahren von niemand geringerem als Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI.
Als Bilgri 2004, nachdem er bei der Abtwahl übergangen worden war, aus dem Kloster und dem Benediktinerorden austrat, machte das bundesweit Schlagzeilen - und Ähnliches ist nun mit zwei seiner persönlichen Entscheidungen wieder passiert: Im Dezember trat Bilgri, der frühere Mönch, der sein Leben so eng an die Kirche geknüpft hatte, aus eben jener römisch-katholischen Kirche aus, um kurz darauf in die deutlich liberalere altkatholische Kirche einzutreten.
Und jetzt hat der geweihte Priester bekannt gegeben, am 12. März heiraten zu wollen - und zwar einen Mann, seinen langjährigen Lebensgefährten Markus.
Gleich zwei umstrittene römisch-katholische Prinzipien
Damit wirft der 67-Jährige, der heute als Unternehmensberater und Buchautor arbeitet, das Schlaglicht auf gleich zwei umstrittene römisch-katholische Prinzipien: den Zwangszölibat, die verordnete Ehe- und Sexlosigkeit für katholische Priester, und das kirchliche Verbot der Segnung homosexueller Ehen. Und das in Zeiten, in denen die katholische Kirche in Deutschland so unter Beschuss geraten ist wie wohl noch nie in der jüngeren Geschichte.
"Mein Privatleben ist politisch geworden, kirchenpolitisch", sagt Bilgri im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur in München. Ihm sei klar gewesen, dass er seinen Priesterstatus in der römisch-katholischen Kirche verliere, wenn er einen Mann heirate. "Aber ich wäre auch so ausgetreten."
Bilgri, der sich schon seit Jahren kirchenkritisch äußert, hat inzwischen - wie viele andere die Geduld mit der römisch-katholischen Kirche verloren. Allein im Jahr 2019 traten nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) 272.771 Menschen aus der katholischen Kirche aus.
"Irgendwann ist Schluss. Mir geht natürlich - wie vielen Menschen - der Umgang mit den Betroffenen sexuellen Missbrauchs furchtbar auf den Geist", sagt er. "Aber nicht nur das: Es tut sich einfach nichts, obwohl Forderungen nach Reformen immer lauter werden."
Altkatholiken ohne Doppelmoral
Auch wenn es ihm schwer gefallen sei, seiner religiösen Heimat den Rücken zu kehren, fühle er sich in der altkatholischen Kirche, die nach Angaben auf der Homepage des altkatholischen Bistums nur etwa 60 Kirchengemeinden in ganz Deutschland und nach Angaben Bilgris bundesweit nur rund 15.000 Mitglieder zählt, sehr wohl. "Dass dieses Bigotte, diese Doppelmoral, bei den Altkatholiken fehlt, gefällt mir sehr."
Seinen 27 Jahre jüngeren Verlobten will er - nach der standesamtlichen Trauung durch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) - später in einer altkatholischen Zeremonie auch vor Gott heiraten. Er selbst habe schon im Kloster gemerkt, dass er schwul ist, mit dieser Erkenntnis als Mönch aber gekämpft. Erst seit seinem Austritt aus dem Kloster könne er selbst dazu stehen, seit sechs, sieben Jahren wisse auch sein persönliches Umfeld Bescheid.
Nur jeder dritte Priester würde sich an den Zölibat halten
Vor drei Jahren schon hat Bilgri ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "Bei aller Liebe - Warum die katholische Kirche den Zölibat freigeben muss". Darin schrieb er von Schätzungen, wonach ein Drittel der katholischen Priester in heterosexuellen Beziehungen lebt, ein Drittel in homosexuellen. Nur ein Drittel versuche demnach, sich ehrlich an den Zölibat zu halten. Die DBK nannte die Zahlen damals "nicht evidenzbasiert".
Gläubige Homosexuelle fordern schon lange den kirchlichen Segen für ihre Partnerschaften und damit die offizielle Anerkennung dessen, was es im Verborgenen längst gibt. "Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass es solche Feiern eigentlich schon lange Zeit und im Grunde überall gibt", sagt Thomas Pöschl, Vorstandsmitglied der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) in Nürnberg.
Auch Bilgri selbst sagt, er habe immer wieder schwule und lesbische Paare gesegnet. "Aber das musste natürlich immer im Geheimen stattfinden - bei denen zu Hause, im Standesamt oder in einer ganz kleinen Kapelle."
Bilgris Entscheidung verbreitet aus Pöschls Sicht Hoffnung und Resignation gleichermaßen: "Das macht mir Hoffnung, dass Menschen fähig sind, ihre Versprechen der Kirche gegenüber dem unterzuordnen, was wirklich mit dem Glauben verbunden ist", sagt er. Aber: "Es ist natürlich traurig, dass es innerhalb der katholischen Kirche keinen Weg dafür gibt und dass man sie verlassen muss. Wenn jemand gehen muss, ist das im Prinzip eine Niederlage der römisch-katholischen Kirche." (dpa/Britta Schultejans) © dpa
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