Großer Auftritt von Forensik-Experte Roger Dixon beim Prozess-Marathon um Oscar Pistorius und der getöteten Reeva Steenkamp. Der Sachverständige stellt seine Erkenntnisse zu den Schüssen vor, die in der Tatnacht gefallenen waren. Dabei stützt er die Aussage des Sportlers.

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Die Strategie der Verteidigung an diesem 23. Verhandlungstag ist klar: Mit den Erkenntnissen von Forensik-Experte Roger Dixon sollen die Ergebnisse der staatlichen Ballistiker angezweifelt werden. Der gelernte Geologe untersuchte Flugbahn, Energie, Winkel, Abstände und andere Einflüsse, um eine Karte der Einschüsse auf Wand und Badezimmertür zu erstellen.

Oscar Pistorius: Totschlag oder Mord?

Um die Ausführung über die gefallenen Schüsse zu veranschaulichen, stellte der Forensiker die Flugbahn der Kugeln in einer Nachbildung der Toilette nach. Ein Gerichtsdiener spielte in dieser Nachstellung Reeva Steenkamp. Roger Dixon kam zum Ergebnis: Die Freundin von Oscar Pistorius muss nahe an der Tür gestanden haben.

Was bedeutet das für die Tatnacht? Nach Ansicht der Verteidigung um Barry Roux stimmt die Version der Staatsanwaltschaft nicht, wonach sich Steenkamp in Abwehrhaltung weiterweg von der Tür aufgehalten habe. "Diese Theorie könne nicht wahr sein, zumindest nicht in der Welt, in der ich lebe", ereiferte sich der sonst so gelassene Experte. Steenkamp wäre demnach nicht auf der Toilette gesessen und hätte sich kurz vorher dort nicht aus Schutz vor Pistorius eingeschlossen.

Stattdessen könnte die Getötete der Verteidigung zufolge versucht haben, aufzustehen, um zur Tür zu laufen. Steenkamp wäre also nicht geflohen, damit wäre auch der Mord-Vorwurf vom Tisch. So würde es für Pistorius vor Gericht um Totschlag gehen. Kurz zuvor hatte der Forensiker über die Munition gesprochen, die im Körper von Steenkamp gefunden wurde, dabei hielt sich der angeklagte Oscar Pistorius die Ohren zu. Als Roger Dixon von den Wunden im Schädel der Getöteten sprach, fing Pistorius an zu würgen.

Staatsanwalt Gerrie Nel hat das Wort

Nach den Ausführungen Roger Dixons hatte Staatsanwalt Gerrie Nel die Möglichkeit, auf die Schlussfolgerungen des Experten zu reagieren. Von diesem Recht machte Nel mit aller Macht Gebrauch und brachte Roger Nixon des Öfteren in Bedrängnis. Bei den vielen Detailfragen ärgerte sich der Staatsanwalt immer wieder: "Warum beantworten sie meine Frage nicht?" - Gerrie Nel spielte damit auf den Schwachpunkt des Forensikers an: "Sie sind kein Ballistiker."

Natürlich ging es auch um die Schüsse. "Wie konnten Sie den Einschusslöchern die Patronen eindeutig zuordnen?" Auch auf diese Frage musste Roger Dixon ausweichend antworten. "Die Rekonstruktion basiert auf meiner Kenntnis des Tatorts", entgegnete der verunsicherte Experte der Verteidigung.

Staatsanwalt Gerrie Nel ließ nicht locker. Offenbar wusste der Forensiker nicht genau Bescheid: "Ich nenne das unverantwortlich, dass sie nicht alle Unterlagen zum Prozess gelesen haben." Dixon entgegnete, dass das schon lange her gewesen sei. Doch er wirkte alles andere als sicher. Die im Verhör neu aufgetauchten Beweise will sich der Staatsanwalt in Ruhe anschauen. Damit endet der 23. Verhandlungstag. Morgen wird der Prozess fortgesetzt.

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