Ein Jahr nach dem Rücktritt: Ruhig ist es geworden um den ehemaligen Papst Benedikt XVI. Sein Nachfolger Papst Franziskus steht im Licht der Aufmerksamkeit und kämpft um die Erneuerung der katholischen Kirche. Doch was macht Benedikt heute?
Der Schock saß tief: Nach einer letzten Audienz am 28. Februar 2013 trat
Joseph Ratzinger, wie Benedikt XVI. bürgerlich heißt, wurde 2005 zum Papst gewählt. Er war der erste deutsche Papst seit 1523. Schon als Kardinal galt Ratzinger als einflussreich und in kirchenpolitischen und theologischen Fragen als Berater seiner Vorgängers Johannes Paul II. Dass gerade Benedikt zurücktreten und nicht wie frühere Päpste in über 700 Jahren durch den Tod aus seinem Amt scheiden würde – damit hatte niemand gerechnet. Wahrscheinlich nicht einmal Benedikt selbst. Bis es irgendwann jedoch nicht mehr ging.
Ein Jahr danach stellt Benedikt in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief in der italienischen Tageszeitung "La Stampa" klar: "Es gibt nicht den geringsten Zweifel an der Stichhaltigkeit meines Rücktritts". Vatikan-Korrespondent Andrea Tornielli, der Benedikt nach geheimen Gründen für seinen historischen Schritt gefragt hatte, antwortete Benedikt knapp, aber unmissverständlich, seine Resignation sei seine vollständige Entscheidungsfreiheit. "Spekulationen bezüglich der Gültigkeit sind schlicht absurd." Darüber hinaus bat Benedikt, bestimmten persönlichen Entscheidungen keine unnötige Aufmerksamkeit zu schenken. Als Beispiel nannte er seinen Entschluss, sich auch nach der Aufgabe seines Amts weiterhin weiß zu kleiden. "Im Moment des Rücktritts waren keine anderen Kleider verfügbar. Im Übrigen trage ich die weiße Kleidung auf eine deutlich andere Art und Weise als der Papst."
In einem Gespräch mit dem "SZ Magazin" bekräftigte Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, den beunruhigenden gesundheitlichen Zustand Benedikts als Ursache für den Amtsverzicht. Er sagte, dass Benedikt nach einem Kuba-Besuch von seinem Arzt gesagt bekommen habe, dass er einen weiteren Transatlantik-Flug nicht überleben würde. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters Anfang des Monats betonte Gänswein, Benedikt sei zwar körperlich gealtert, sein Geist sei aber nach wie vor lebendig und klar. Sein Dienst an der Kirche und an seinem Nachfolger Franziskus bestehe jetzt hauptsächlich im Gebet. Außerdem studiere und lese er, bearbeite seine Korrespondenz und empfange Besucher. Zuletzt feierte er im Januar mit seinem Bruder, dem ehemaligen Regensburger Domkapellmeister, Georg Ratzinger, dessen 90. Geburtstag.
Auch als emeritierter Papst wird Benedikt heute mit "Heiliger Vater" oder "Euer Heiligkeit" angesprochen. Mit dem derzeitigen Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Franziskus, versteht er sich zufolge Gänswein jedoch gut. Sie seien häufig in Kontakt und hätten auf mehreren Ebenen ein gutes Einverständnis. Gänswein bezeichnete sich als "Diener zweier Herren". Er erfülle seinen Dienst im Einklang mit beiden Päpsten und bemühe sich, eine Brücke zwischen beiden zu sein. Von einer Doppelherrschaft in der Kirche könne aber keine Rede sein.
Tatsächlich scheint die Harmonie zwischen beiden Päpsten echt. Bevor Benedikt im Mai in einen Bereich des Klosters Mater Ecclesiae zog, der für ihn als Altersruhesitz im Vatikan umgebaut worden war, empfing er Franziskus im März zu einem Privatbesuch in Castel Gandolfo – seinem zwischenzeitlichen Rückzugsort. Franziskus bezeichnete sich und Benedikt daraufhin als "Brüder". Benedikt gelobte seinem Nachfolger im Gegenzug bedingungslosen Gehorsam. Anschließend feierte Benedikt das erste Konsistorium seines Nachfolgers am 22. Februar 2014 im Petersdom mit. Vor der Eröffnung umarmten sich beide. Es war die offiziell erste gemeinsame Zeremonie – und Benedikts erster öffentlicher Auftritt seit seinem Rückzug.
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