• Noch immer ist das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener durch Priester in der katholischen Kirche nicht aufgeklärt, geschweige denn gesühnt.
  • Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hält ein entsprechendes Gutachten zurück. Seines Wissens nach sei es fehlerhaft. Woelki gab eine neues in Auftrag.
  • Die zuvor beauftragte Kanzlei wehrt sich gegen die Vorwürfe.

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Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Fehler bei der Aufarbeitung der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen katholische Priester eingeräumt.

"Wir haben Fehler gemacht, wir haben Vertrauen verspielt, ich verstehe die Ungeduld", sagte Woelki in einem Interview der "Kölnischen Rundschau" (Donnerstag). "Ein Fehler war, dass wir immer wieder den Zusagen der Münchener Kanzlei vertraut haben, eine rechtssichere Aufarbeitung vorzulegen."

Woelki hatte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl aus München beauftragt, zu untersuchen, wie Bistumsverantwortliche in der Vergangenheit mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch katholische Priester umgegangen sind. Nach Fertigstellung des Gutachtens entschloss sich Woelki am 30. Oktober 2020 jedoch, es nicht zu veröffentlichen.

Er ließ damals erklären: "Die Münchener Kanzlei ist wiederholt an ihrem Versprechen und am Anspruch der Betroffenen sowie des Erzbistums gescheitert, eine umfassende Aufarbeitung der Ereignisse und persönlichen Verantwortlichkeiten in Form eines rechtssicheren und belastbaren Gutachtens zu erreichen und einen zur Veröffentlichung geeigneten Bericht zu erstellen."

Münchner Kanzlei wehrt sich gegen Bewertung ihres Gutachtens

In dem Interview sagte er nun, er selbst kenne das Gutachten zwar nach wie vor nicht, Fachleute sähen darin aber "schwere methodische Mängel und Verstöße gegen Persönlichkeits- und Äußerungsrechte". Westpfahl Spilker Wastl bestreitet diese Vorwürfe.

Woelki hat den Kölner Strafrechtler Björn Gercke damit beauftragt, ein neues Gutachten zu erarbeiten. Dieses soll am 18. März vorgestellt werden. Bis dahin müsse man sich noch gedulden, sagte Woelki. "Wir klären auf, ich stehe zu meinem Versprechen", versicherte er. Gercke habe 236 Fälle identifiziert und bearbeitet, wohingegen das Gutachten von Westpfahl Spilker Wastl nur 15 Fälle betrachte.

Westpfahl Spilker Wastl begründet das damit, dass man bewusst nur 15 besonders schwere und exemplarische Fälle habe herausgreifen wollen. "Wir haben uns alle Fälle von 1975 bis 2019 angeschaut.Wir haben aufgepasst, ob wir sie so abstrahieren können, dass keine Betroffenen erkennbar sind", sagte Rechtsanwalt Ulrich Wastl in einem Interview mit der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt". Andernfalls könne dies für die Opfer mit einer Retraumatisierung verbunden sein.

Wastl fügte in dem Interview hinzu, in den vergangenen 30 Jahren habe er "ein derartiges Verhalten" wie jenes Woelkis "noch nicht erlebt". Und: "Wir haben nicht gepfuscht. Unser Gutachten ist keine Anklageschrift."

So hatten es die beiden Juraprofessoren dargestellt, die in Woelkis Auftrag das abgelieferte Gutachten in Augenschein nahmen. Sie resümierten, das Gutachten sei "voll von hochgradig subjektiven, moralisch gefärbten Anschuldigungen, die die Neutralität und innere Unabhängigkeit der anwaltlichen Gutachter aus unserer Sicht in Frage stellen müssen."

Woelki verspricht: "Werden Namen von Verantwortlichen nennen"

Woelki versicherte nun hinsichtlich des zweiten Versuchs der katholischen Kirche, ein formal einwandfreies und zufriedenstellendes Gutachten zu erhalten: "Gerckes Gutachten wird handwerklich sauber sein und es möglich machen, mein Versprechen einzulösen: Wir werden Namen von Verantwortlichen nennen."

Auf die Frage, was die Kritik der vergangenen Wochen für ihn persönliche bedeute, antwortete er: "Das Ganze ist nicht schön für mich, aber es geht ja auch nicht um mich. (...) Ich tue das für die Betroffenen, damit sie ein Stück Gerechtigkeit erfahren. Meine Person interessiert da nicht."

Georg Bätzing: "Woelki hat die Krise nicht gut gemanagt"

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, kritisierte derweil den Umgang des Kölner Erzbistums mit dem Missbrauchsskandal. "Die stockende Aufarbeitung bedaure ich sehr", sagte der Limburger Bischof am Donnerstag zum Auftakt einer Onlinekonferenz des sogenannten synodalen Weges vor Journalisten. Die Krise, die durch das Nichtveröffentlichen des Gutachtens der Münchner Kanzlei entstanden sei, habe Woelki zudem "nicht gut gemanagt".

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Dies gilt auch für den Fall des Düsseldorfer Pfarrers Johannes O., bei dem das Erzbistum schweren Vorwürfen nicht nachgegangen war. Dazu sagte Woelki: "Ich habe mein Gewissen geprüft, und ich bin persönlich der Überzeugung, dass ich mich korrekt verhalten habe. Aber auf meine Einschätzung kommt es nicht an: Professor Gercke untersucht den Fall."

Woelki ging dem Fall seines Freundes Johannes O. nicht nach

Dem 2017 gestorbenen Pfarrer O. wird vorgeworfen, Ende der 1970er Jahre einen Jungen im Kindergartenalter missbraucht zu haben. Nachdem Woelki 2014 Erzbischof von Köln geworden war, entschied er sich, weiter nichts zu unternehmen und den Fall auch nicht nach Rom zu melden.

Seine Begründung dafür ist, dass O. aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz "nicht vernehmungsfähig" gewesen sei. Woelki soll dem Pfarrer seit seiner Studentenzeit eng verbunden gewesen sein und hielt nach einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeiger" bei seiner Beerdigung die Trauerrede. (dpa/AFP/hau)

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