"Das ging ruckzuck." Eine Zeugenaussage, die in wenigen Worten den Momente des tödlichen Unfalls beschreibt. Mitten in Stuttgart soll ein 20 Jahre alter Raser den Crash mit zwei Toten verursacht haben. Nun muss ein Gericht klären, ob es Mord war.
Ein 20-Jähriger steht in Stuttgart vor Gericht. Er soll mit seinem Auto einen Unfall verursacht haben, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Das Gericht muss nun klären, ob der Fall als Mord bewertet werden muss.
Was geht vor in einem jungen Menschen, der sich einen PS-starken Sportwagen mietet und durch die Straßen von Stuttgart rast?
Der seinen Motor immer wieder aufheulen und die Tachonadel ausschlagen lässt, das Auto dann nicht mehr kontrollieren kann und einen fatalen Crash verursacht? War er sich bewusst, dass er eine tödliche Gefahr darstellte?
20 Jahre alter Mann rast mit Jaguar durch Stuttgart
Ein halbes Jahr nach einem Unfall mit zwei Toten sitzt ein 20 Jahre alter Mann auf der Anklagebank des Landgerichts - wegen Mordes. Im "Geschwindigkeitsrausch" sei der junge Mann mit seinem Jaguar F-Type Coupe durch Stuttgart und über die Autobahn gefahren, stundenlang - so schildert es die Staatsanwältin zu Beginn des Prozesses vor der Jugendkammer des am Mittwoch.
Den geliehenen Boliden habe er an seine Grenzen bringen und seinen Freunden imponieren wollen. Das Schicksal anderer? "Das war ihm völlig gleichgültig", sagt die Anklagevertreterin. Nur vom Zufall sei abhängig gewesen, ob es zum Zusammenstoß kommen würde.
Es gibt einen Präzedenzfall vom BGH
Es ist die erste Anklage dieser Art nach einem Raser-Unfall in Baden-Württemberg. Einen Präzedenzfall gibt es: Anfang März hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe erstmals ein Mordurteil gegen einen rücksichtslosen Raser bestätigt.
Der Mann hatte 2017 in Hamburg mit einem gestohlenen Taxi einen Menschen getötet und zwei schwer verletzt. Eine rote Linie für eine Mordverurteilung in Raserfällen legten die Karlsruher Richter jedoch nicht fest: "Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls", urteilten die Bundesrichter.
So wurde das deutschlandweit erste Mordurteil im Februar 2017 vom BGH kassiert. Die Richter sahen den bedingten Tötungsvorsatz bei den beiden Angeklagten nach einem tödlichen Autorennen in der Berliner Innenstadt nicht ausreichend belegt.
Im neu aufgerollten Prozess wurden die Männer im März dann erneut wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Verteidiger: Tragischer Unfall, aber kein Mord
Bei der Stuttgarter Tempofahrt an einem Abend im vergangenen März verliert der junge Deutsche laut Anklage die Kontrolle über seinen Jaguar.
Nach einem Gutachten rast er kurz vor dem Crash mit seinem PS-starken Auto bei Tempo 160 bis 165 auf eine Kreuzung in der Innenstadt zu, er drückt das Gaspedal voll durch und kann kaum noch ausweichen, als ein anderes Fahrzeug auf die Straße einbiegt.
Mit einer Geschwindigkeit von rund 100 bis 110 Stundenkilometern rammt der 20-Jährige einen stehenden Kleinwagen am Straßenrand.
Dessen 25 Jahre alter Fahrer und seine 22 Jahre alte Beifahrerin sterben, der Jaguar-Fahrer und sein Beifahrer bleiben unverletzt. Die beiden Opfer waren erst kurz vorher aus Nordrhein-Westfalen nach Stuttgart gezogen.
Mord wirft die Staatsanwaltschaft dem 20-Jährigen vor. "Keineswegs", sagt dagegen der Verteidiger des jungen Unfallfahrers. Der Zusammenstoß sei unfassbar tragisch gewesen.
Eltern erinnern mit Fotos an ihr Kind
Sein Mandant trage schwer an seiner Verantwortung, er sei zudem nicht vorbelastet gewesen. "Den Vorwurf eines Mordes weisen wir daher entschieden zurück."
Auf einem Tisch im Gerichtssaal haben Eltern eines Opfers zu Prozessbeginn einen Bilderrahmen aufgestellt. Mit den Fotos der gestorbenen Tochter wollen sie an ihr Kind erinnern.
Die Mütter der beiden Getöteten weinen beim Verlesen der detaillierten Anklage, sie schütteln den Kopf bei den Aussagen des Beifahrers aus der Unfallnacht. "Das war eine Sache von 30 Sekunden", erinnert sich der 19-Jährige an die Momente des Zusammenstoßes. "Das ging ruckzuck." (dpa/thp)
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