Die EU-Kommission hat ein förmliches Verfahren gegen Tiktok eröffnet, um mögliche Verstöße gegen das EU-Gesetz für digitale Dienste (DSA) zu prüfen. Die Frage, die im Raum steht, lautet: Macht die App bewusst süchtig?

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Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen Tiktok eröffnet. Dabei geht es um den Verdacht, dass die Videoplattform ihren Verpflichtungen zum Schutz von Minderjährigen nicht nachkommt, wie der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton am Montag mitteilte. Hintergrund ist das EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act - DSA), das Online-Anbietern schärfere Auflagen macht.

Auch gegen X läuft ein Verfahren

Es ist das zweite Mal, dass die EU-Kommission das Gesetz anwendet. Im Dezember hatte sie ein Verfahren gegen den Onlinedienst X (ehemals Twitter) wegen der Verbreitung von Falschinformationen eröffnet.

Breton erklärte am Montag, Tiktok werde von "Millionen Kindern und Jugendlichen" genutzt und spiele deshalb auch eine besondere Rolle beim Schutz von Minderjährigen im Netz. Dies sei "eine der obersten Durchsetzungsprioritäten" des DSA.

Im Verfahren gegen das Unternehmen, das zum chinesischen Konzern Bytedance gehört, werde die Kommission prüfen, ob Tiktok die notwendigen Maßnahmen ergreift, um das "körperliche und emotionale Wohlbefinden" junger Europäerinnen und Europäer zu schützen, kündigte der Kommissar an. Die EU dürfe hier "keine Mühe scheuen".

Macht Tiktok süchtig?

Tiktok ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen extrem beliebt. Sie können selbst kurze Videos erstellen, ein Algorithmus schlägt Videos zum Anschauen vor. Bei der Nutzungszeit hat die Video-App andere Netzwerke wie Youtube, Twitter, Instagram und Facebook längst überholt.

Die EU-Kommission will in dem Verfahren insbesondere klären, ob der Algorithmus von Tiktok zur Abhängigkeit führen kann und wie die Plattform gewährleistet, dass Minderjährige "effektiv" vor unangemessenen Inhalten geschützt werden.

Auch Religionszugehörigkeit spielt eine Rolle

Auch der Effekt der Tiktok-Videos auf Radikalisierungsprozesse ist Gegenstand des Verfahrens. Zudem geht es um die Transparenz der Werbung auf Tiktok und den Zugang von Forschenden zu den Daten der Plattform. Der DSA schreibt vor, dass Unternehmen offenlegen müssen, welche Daten sie für personalisierte Werbung nutzen. Nutzerinnen und Nutzer sollen sehen können, mit welchen Einstellungen Werbung auf sie angepasst wird und wer die Anzeigen finanziert.

Besonders sensible Daten wie sexuelle Orientierung, politische Einstellung und Religionszugehörigkeit dürfen nicht für gezielte Werbung genutzt werden. Personalisierte Anzeigen für Minderjährige sind vollständig verboten.

Über 130 Millionen Nutzer

Der DSA gilt seit August vergangenen Jahres für 22 Onlinedienste mit jeweils mehr als 45 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern in der EU pro Monat. Seit Samstag gilt das Gesetz für alle Online-Plattformen sowie für Internetanbieter und Hosting-Unternehmen; dazu gehören auch kleinere oder nur national verbreitete Dienste. Tiktok hatte nach eigenen Angaben im vergangenen April knapp 136 Millionen aktive Nutzer pro Monat in der EU.

EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte am Montag, die Onlineplattform müsse die "Risiken genau abwägen", die ihre Dienste für ihre Nutzer - ob jung oder alt - mit sich brächten. Die Kommission werde Tiktok nun eingehend prüfen, ohne dem Ergebnis vorzugreifen.

Bei Verstößen gegen die neuen Regeln drohen den Unternehmen Strafen in Milliardenhöhe. Das Gesetz sieht Zahlungen in Höhe von bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes vor. (afp/phs)

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