2022 machte ein Mordfall an einer jungen Frau in Ingolstadt Schlagzeilen. Die mutmaßlichen Täter, eine Frau und ein Mann, wurden kurz darauf verhaftet. Rund zwei Jahre und über 50 Prozesstage später gibt es ein Urteil – und trotzdem viele offene Fragen.

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Warum Khadidja O. sterben musste, ist die falsche Frage. Es gibt keinen Sinn, keine Logik dahinter, warum die 23-jährige Eppingerin mit 56 Messerstichen getötet wurde. Und doch ist es passiert.

Verantwortlich dafür sind laut der Ingolstädter Staatsanwaltschaft Sharaban K.B. (25) und Sheqir K. (26). Am Ingolstädter Landgericht sind sie jetzt jeweils zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Bei Sharaban K.B. wurde zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit kann die Gefängnisstrafe voraussichtlich nicht nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.

Die Verteidiger hatten für ihre Mandanten Freisprüche verlangt. Sie bemängelten, dass in dem seit nahezu einem Jahr laufenden Prozess trotz mehr als 50 Verhandlungstagen die Tat nicht aufgeklärt worden sei.

Die Anwälte der 25 Jahre alten Angeklagten bezweifelten außerdem die Doppelgängerin-Theorie der Ermittler, dass die Angeklagte das Opfer aufgrund ihrer Ähnlichkeit umgebracht hatte, um ihren eigenen Tod vorzutäuschen. Die Angeklagte und das Opfer, eine junge Frau aus Eppingen bei Heilbronn, hätten sich laut Verteidigung nicht ähnlich gesehen.

Was geschah im Sommer 2022?

2022, an einem heißen Tag im August, suchen die Eltern von Sharaban K.B. nach ihrer Tochter. Sie fahren nach Ingolstadt und stoßen auf K.B.s Auto. Sie sehen darin eine tote Frau – und nehmen sofort an, dass es sich um ihre Tochter handelt. Erst später, als Einsatzkräfte und Polizei eingetroffen sind, werden die Eltern erfahren, dass die Frau im Auto nicht ihre Tochter ist, sondern die Eppingerin Khadidja O.. Sharaban K.B. ist stattdessen dringend tatverdächtig – und auf der Flucht.

Der entscheidende Anruf kommt kurz darauf von einem Ingolstädter Pizza-Lieferdienst. Wie Aufnahmen einer Überwachungskamera später zeigen, ist vor der Filiale eine aufgelöste junge Frau im Kapuzenpullover zu sehen. Sie hat ein altes Handy dabei, wirkt unruhig und weint. Es handelt sich um Sharaban K.B., die kurze Zeit später festgenommen wird.

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Immer weitere Details kommen ans Licht. Die junge Frau soll den Mord geplant haben, gemeinsam mit Sheqir K., den sie nur wenige Wochen zuvor kennengelernt haben soll.

Der Tathergang laut Staatsanwaltschaft

K.B. war nach jesidischem Glauben verheiratet, eine Scheidung hätte laut den Ausführungen der Staatsanwaltschaft vor Gericht große Einschnitte im Leben der jungen Frau bedeuten können. Das Motiv der Tat ist laut Staatsanwaltschaft, dass K.B. ihren eigenen Tod vortäuschen wollte, um ein neues Leben zu beginnen. Dazu hatte sie gezielt nach einer Frau gesucht, die ihr sehr ähnlich sieht.

Mit einem Fake-Profil schrieb K.B. die junge Frau aus Eppingen mehrfach an, um sie unter dem Vorwand einer kostenlosen Beautybehandlung nach Ingolstadt zu locken. Die beiden Angeklagten holten Khadidja O. mit dem Auto ab. In einem nahegelegenen Waldstück soll Sheqir K. die 23-Jährige erstochen haben. Die beiden fuhren mit der Toten im Auto bis nach Ingolstadt, wo Khadidja O. später gefunden wurde.

Lose Enden, weitere Theorien und offene Fragen

Immer wieder während des Prozesses kamen Gericht und Staatsanwaltschaft zur Ansicht, dass vieles, was vor Gericht passierte, im besten Fall ein Teil der Wahrheit ist. Nach wie vor halten sich auch andere Theorien zum Motiv des Mords.

Allein schon, weil in Zeiten von DNA-Beweisen die meisten Menschen wissen müssten, dass man seinen eigenen Tod nicht derart einfach vortäuschen kann. Was das Ganze noch rätselhafter macht: Das Opfer Kadjidja O. hatte einen Partner in Ingolstadt. Die beiden sollen lauter Zeugenaussagen auch mit Sharaban K.B. bekannt gewesen sein. Es gibt Stimmen, die ganz am Anfang nach der Tat darüber sprachen, dass K.B. Gefühle für diesen Mann gehabt haben soll.

Als eine Art Magier in den Zeugenstand trat, nahm der Prozess noch skurrilere Züge an: Der Mann sagte aus, Sharaban K.B. habe ein Menschenopfer bringen müssen, um die Liebe ihres Mannes zurückzubekommen. Zettel, die im Tatauto gefunden wurden, seien Flüche, die der Magier dafür in einer Art Geheimsprache geschrieben habe.

Während der Verhandlung ging es außerdem um die Frage, ob der Angeklagte K. eine "Todesliste" im Gefängnis geschrieben hatte, auf der die Namen von Zeugen standen. Oder ob die Angeklagte zu einem früheren Zeitpunkt einen Mann damit beauftragt hatte, ihren Schwager umbringen und in einem bayerischen See "verschwinden" zu lassen. Zu der Tat kam es nicht, die Frau wurde dennoch wegen versuchter Anstiftung zum Mord verurteilt. Für Verwunderung sorgte zudem, dass einer der Verteidiger der Angeklagten in einem Podcast über den Fall sprach.

Verwendete Quellen

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