Angesicht steigender Mieten will Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) den sogenannten Wohnberechtigungsschein (WBS) auch auf weitere Gruppen ausweiten. Rund 80 Prozent der Wohnungssuchenden hätten kaum eine Chance, eine bezahlbare Wohnung in der Hauptstadt zu finden, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstagsausgabe). Der Sozialverband Deutschland und die Linke begrüßten den Vorschlag, wiesen aber auf fehlende Sozialwohnungen hin.

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Wegner kündigte an, den Kreis der möglichen Empfänger eines Wohnberechtigungsscheins so auszuweiten, dass auch Normalverdiener eine bezahlbare Wohnung in der Hauptstadt finden können. "Ich werde nicht zulassen, dass eine Verkäuferin oder ein Polizist nach Brandenburg ziehen muss, weil sie sich die Stadt, in der und für die sie arbeiten, nicht mehr leisten können."

Die Berliner SoVD-Landesvorsitzende, Ursula Engelen-Kefer, sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im unteren und mittleren Einkommensbereich ist nicht mehr in der Lage, die Mieten in Berlin zu bezahlen." Deshalb sei es richtig, die Gruppe der Menschen auszuweiten, die Anrecht auf den WBS haben. Es fehlten jedoch bereits heute viele Sozialwohnungen, deren Zahl gehe zudem zurück. "Das ist die Riesen-Problematik und da geht es nicht nur um ein paar zehntausende, sondern um hunderttausende Wohnungen, die fehlen."

Engelen-Kefer forderte deshalb einen verstärkten Bau von Sozialwohnungen. "Sonst ist das Augenwischerei und schafft falsche Erwartungen", sagte die Landesvorsitzende und zugleich Bundes-Vizepräsidentin des SoVD.

Ähnlich bewertete der Sprecher für Mieten und Wohnen der Berliner Linksfraktion, Niklas Schenker, die Ankündigung Wegners. Angesichts rasant steigender Mieten brauche es inzwischen auch für Menschen mit mittleren Einkommen Angebote für bezahlbaren Wohnraum. Nur den Kreis der WBS-Berechtigten auszuweiten, "greift aber zu kurz". Die Zahl der bezahlbaren Wohnungen müsse deutlich ausgeweitet werden, "sonst droht noch mehr Konkurrenz um die wenigen verbleibenden Sozialwohnungen in der Stadt - das hilft niemandem".

Die zuständige Bausenatsverwaltung teilte am Donnerstag auf Anfrage mit, dass die von Wegner benannte Ausweitung des WBS mit den neuen "Wohnungsbauförderungsbestimmungen" bereits Ende Juni in Kraft gesetzt worden sei. Demnach wurde eine neue Förderstufe eingeführt, wonach nun auch mittlere Einkommensgruppen Anspruch auf den Schein haben. Geholfen werden solle damit "den Menschen, die ein mittleres Einkommen beziehen, aber dennoch keine Wohnung finden".

"Allerdings müssen diese Wohnungen zu diesen Förderbedingungen erst einmal gebaut werden", erklärte eine Sprecherin der Senatsverwaltung. Zurzeit haben demnach rund 855.000 Berliner Haushalte Anspruch auf einen WBS; nur 54.000 davon besitzen jedoch einen. Mit der Erweiterung hätten laut Senatsverwaltung zusätzlich rund 305.000 Haushalte eine Berechtigung und damit rund 58,5 Prozent aller Haushalte in der Hauptstadt.  © AFP

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