Sie ist eines der bekanntesten Gesichter der aktuellen Demokratiebewegung in Belarus: Maria Kolesnikowa. Am Montag wurde sie verschleppt und sollte einen Tag später in die Ukraine abgeschoben werden. Doch sie widersetzte sich und wurde festgenommen. Nach wie vor besteht kein Kontakt zu ihr.

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Nach der Festnahme der Oppositionellen Maria Kolesnikowa in Belarus hoffen ihre Kollegen auf Klarheit über ihren Verbleib.

Es gebe zwar Informationen, dass die 38-Jährige im Süden des Landes in Gewahrsam sei, teilte ihr Team mit. Eine offizielle Bestätigung dafür gebe es aber nicht. Auch die Anwälte wüssten nicht, wo sich Kolesnikowa aufhalte.

"Wir appellieren an die belarussischen Behörden, den Aufenthaltsort von Maria Kolesnikowa mitzuteilen", teilte das Team über den Nachrichtenkanal Telegram mit.

Die US-Regierung erwägt laut Außenminister Mike Pompeo mit ihren Verbündeten koordinierte, gezielte Sanktionen "gegen jene, die an Menschenrechtsverstößen und Repressionen in Belarus beteiligt sind". Pompeo verwies am Dienstag auf die Verschleppung Kolesnikowas und appellierte an die belarussischen Behörden, "das gewaltsame Vorgehen gegen ihr eigene Volk zu beenden und all jene freizulassen, die unrechtmäßig festgenommen worden sind".

An der Grenze zu Ukraine festgenommen

Kolesnikowa war am Dienstag an der Grenze zum Nachbarland Ukraine festgenommen worden. Sie ist eines der bekanntesten Gesichter der Demokratiebewegung, die sich gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko stellt.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Behörden auf, Informationen über den Verbleib der Oppositionellen bekanntzugeben und Kolesnikowa unverzüglich freizulassen. "Wir rufen dazu auf, dass die Kampagne der Einschüchterung und politischen Verfolgung von Gegnern beendet wird", hieß es in einer Mitteilung.

Kolesnikowa soll Augenzeugenberichten zufolge am Montagvormittag entführt und gegen ihren Willen zur Grenze gebracht worden sein. Dort wollten die Behörden sie nach Angaben ihrer Mitarbeiter Iwan Krawzow und Anton Rodnenkow am Dienstagmorgen zur Ausreise zwingen. Die beiden Männer seien über die ukrainische Grenze gefahren, weil sie befürchteten, festgenommen zu werden.

Kolesnikowa hingegen habe ihren Pass zerrissen. "Sie kletterte aus dem Auto und ist mutig zurück auf belarussisches Gebiet gelaufen", erklärte Krawzow am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Kiew. Die Oppositionelle sei dann festgenommen wurden - den belarussischen Behörden zufolge, um "Umstände zu klären". Details wurden nicht genannt.

Friedlicher Machtwechsel angestrebt

Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart wohnte und dort Kulturprojekte managte, ist eine der letzten Führungsfiguren der aktuellen Oppositionsbewegung, die sich noch in Belarus befindet. Sie arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der sich um das Präsidentenamt bewerben wollte, aber wegen wohl konstruierter Vorwürfe seit Juni im Gefängnis sitzt. Zudem ist Kolesnikowa im Präsidium des oppositionellen Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel will. Etliche Mitarbeiter und Mitglieder des Gremiums sind bereits festgenommen oder zur Ausreise gezwungen worden.

Hintergrund der seit nunmehr vier Wochen andauernden Proteste ist der Ausgang der Präsidentschaftswahl am 9. August. Lukaschenko hatte sich danach mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Gewinnerin der Abstimmung.

Tichanowskaja zur Ausreise gezwungen

Auch Tichanowskaja lebt inzwischen im Exil im benachbarten EU-Land Litauen. Sie war unter Druck der Behörden dorthin ausgereist. Die Oppositionelle forderte die sofortige Freilassung ihrer Mitstreiterin. "Wir spüren großen Druck seitens der Behörden auf unser Volk", sagte sie am Dienstag in Litauen. Die Entführung und Festnahme Kolesnikowas schockiere sie. "Es ist nicht normal, dass solche Dinge mitten in Europa im 21. Jahrhundert passieren."

Am Abend sammelten sich in Minsk aus Solidarität mit Kolesnikowa zahlreiche Menschen. Auf Bildern war zu sehen, wie maskierte Einsatzkräfte Dutzende Demonstranten brutal festnahmen und die Gruppen auseinandertrieben. Die belarussische Menschenrechtsorganisation Wjasna berichtet von mehr als 50 Festnahmen. (mf/dpa)  © dpa

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