Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat Schwerbehinderten den Zugang zu einer Diskriminierungsentschädigung nach einer abgelehnten Bewerbung erleichtert. Danach genügt es, wenn sie eine Verletzung bestimmter Verfahrenspflichten des Arbeitgebers rügen. Daraufhin ist es Sache des Arbeitgebers, dies zu widerlegen. (Az. 8 AZR 136/22)

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Der Kläger bewarb sich auf eine im Internet ausgeschriebene Stelle als "Scrum Master Energy (m/w/d)". "Scrum" ist ein bestimmtes Vorgehen im Projektmanagement, insbesondere bei der Softwareentwicklung. In seinem Anschreiben wies der Mann auf seine Schwerbehinderung hin. Eine Woche später erhielt er per E-Mail eine Absage.

Daraufhin machte der Kläger eine Diskriminierungsentschädigung geltend. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat nicht unmittelbar nach Eingang über seine Bewerbung unterrichtet.

Die Arbeitgeberin tat dies als reine Behauptung ab. Anhaltspunkte dafür habe der schwerbehinderte Bewerber nicht vorgetragen. Vielmehr sei er abgelehnt worden, weil er verschiedene in der Stellenausschreibung genannte Voraussetzungen nicht erfülle.

Das BAG sprach ihm nun jedoch eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 7500 Euro zu. Er habe eine Benachteiligung ausreichend dargelegt.

Zunächst betonten die Erfurter Richter, dass für einen Entschädigungsanspruch die Schwerbehinderung nicht der einzige Grund für die Ablehnung sein müsse. "Die bloße Mitursächlichkeit genügt", hieß es.

Zudem sehe das Gesetz Beweiserleichterungen vor, so dass Anhaltspunkte für eine Benachteiligung zunächst ausreichten. Ein Verstoß gegen Verfahrens- oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen sei stets als ein solches Indiz zu sehen. Dies müsse dann die Arbeitgeberin widerlegen.

Hier habe der Kläger vorgetragen, die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat nicht rechtzeitig über seine Bewerbung informiert. Nähere "greifbare Anhaltspunkte" hierfür seien nicht erforderlich.

"Insoweit handelt es sich nämlich um tatsächliche Verhältnisse in der Sphäre der Beklagten", erklärte das BAG. Obwohl es der Arbeitgeberin unschwer möglich gewesen sei, hierzu nähere Angaben zu machen, habe sie der Vermutung des Klägers nicht widersprochen.

Nach dem Erfurter Urteil reicht für Arbeitgeber allerdings auch der Nachweis aus, dass für die ausgeschriebene Stelle unverzichtbare Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Dabei müsse es sich aber um verpflichtende Vorgaben handeln - wie etwa bei Rechtsanwälten oder Notfallsanitätern. Für die Tätigkeit eines "Scrum Master Energy" gebe es solche Voraussetzungen nicht.  © AFP

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