Die Diakonie hat vor den möglichen Folgekosten von Kinderarmut gewarnt, sollte die Bundesregierung nicht massiv in die Kindergrundsicherung investieren.
"In der Diskussion über die Kindergrundsicherung dürfen nicht nur die kurzfristigen Sparzwänge im Bundeshaushalt eine Rolle spielen", betonte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am Freitag in Berlin bei der Vorstellung eines Gutachtens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu den Folgekosten der Kinderarmut.
In dem Gutachten weist das DIW darauf hin, dass sich die gesellschaftlichen Gesamtkosten laut einer aktuellen OECD-Studie durch vergangene und aktuelle Kinderarmut in Deutschland im Jahr 2019 auf etwa 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beliefen, also mehr als 100 Milliarden Euro.
"Wir müssen auch über die mittel- und langfristigen Belastungen für Staat und Steuerzahler sprechen, die sich zwangsläufig ergeben, wenn wir nicht frühzeitig in alle Kinder investieren", mahnte Lilie.
Folgekosten treten in vielen Bereichen zu Tage
Das DIW nennt beispielsweise die Folgekosten im Bereich Gesundheit. Armutsbetroffene Kinder entwickeln mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Probleme. "Alleine die direkten und indirekten Kosten im Zusammenhang mit Adipositas, deren Risiko mit Kinderarmut steigt, lagen 2016 bei jährlich mehr als 60 Milliarden Euro", hieß es.
Außerdem wies das DIW darauf hin, dass der oft schlechtere Zugang zu Bildungsangeboten für armutsbetroffene Kinder zu niedrigeren Bildungsabschlüssen und schlechteren Berufsperspektiven führt. "Dass dies wiederum das Risiko von Arbeitslosigkeit erhöht, bedeutet langfristig gesellschaftliche Kosten in Form von ausbleibenden Steuer- und Sozialabgaben und zusätzliche Transferleistungen", hieß es. Diese Kosten würden sich alleine für Menschen eines Jahrgangs mit unzureichender Bildung auf 1,5 Milliarden Euro jährlich belaufen.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher sprach sich ebenfalls für die Kindergrundsicherung aus. "Studien zeigen, dass Armut oft von Generation zu Generation weitergegeben wird, diese Entwicklung gilt es zu durchbrechen", erklärte Fratzscher. "Ein Schlüssel dazu liegt in der Kindergrundsicherung."
Streit ums Geld
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) liefern sich seit Monaten einen Streit darüber, wie viel Geld für die Einführung der Kindergrundsicherung ab 2025 zur Verfügung stehen soll. Paus hatte die Kosten anfänglich auf zwölf Milliarden Euro pro Jahr beziffert, sprach zuletzt aber von bis zu sieben Milliarden Euro. In der von Lindner vorgelegten Finanzplanung für 2025 ist bisher nur ein "Platzhalter" von zwei Milliarden Euro enthalten.
Diakonie-Präsident Lilie sagte dagegen, notwendig wären mindestens 20 Milliarden. "Das ist ein Bruchteil der Summe, die Staat und Steuerzahler heute schon schultern müssen, wenn Kinderarmut nicht energischer bekämpft, sondern stattdessen lieber die enormen Folgekosten in Kauf genommen werden", warnte Lilie. Auch DIW-Präsident Fratzscher sagte, es wäre ein "Fehler, die Ausgaben für die Kindergrundsicherung auf zwei Milliarden Euro zu drücken". © AFP
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