Bei der Entscheidung über Maßnahmen bis hin zu einem möglichen Militäreinsatz nach dem Putsch im Niger ist Nigerias Präsident Bola Tinubu als Vorsitzender des Staatenbunds Ecowas nach Ansicht einer Expertin in einer schwierigen Lage. "Innenpolitisch spricht alles dagegen, gleichzeitig will Nigeria wieder regionale Führungsmacht sein und die Glaubwürdigkeit der Ecowas wieder herstellen", sagte die Nigeria-Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Marija Peran, der Deutschen Presse-Agentur.

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Am Donnerstag wollen die Staatschefs der westafrikanischen Staatengemeinschaft bei einem Gipfel in Nigerias Hauptstadt Abuja über ihr Vorgehen gegen die Putschisten entscheiden. "Als Tinubu Anfang Juli zum neuen Ecowas-Vorsitzenden ernannt wurde, hat er sich in aller Deutlichkeit für Demokratie in der Region ausgesprochen. Da ist es natürlich folgerichtig, dass er bei einem Putsch so kurze Zeit danach nicht tatenlos erscheinen will", sagte Peran.

Tinubu übernahm im Mai das Präsidentenamt des bevölkerungsreichsten Lands Afrikas und dann den Vorsitz des Bunds von 15 westafrikanischen Staaten. Die aktiven elf Mitglieder - nach Putschen sind vier Staaten einschließlich des Nigers suspendiert - hatten am 30. Juli Sanktionen verhängt und den Putschisten ein Ultimatum zur Wiederherstellung der Verfassungsordnung gegeben.

"Ich denke, dass es eine bewusste Entscheidung war, um dem Vorwurf zu begegnen, Ecowas würde ein weiteres Mal nur zusehen, wie das Militär die Macht übernimmt", sagte Peran. Ecowas habe, damals unter dem Vorsitz von Ghana und Guinea-Bissau, bei den Coups in Mali, Burkina Faso und Guinea seit 2020 kein geeintes Vorgehen gezeigt. "Nun erbt Tinubu dieses Glaubwürdigkeitsproblem und hat die schwierige Aufgabe, sowohl Ecowas als auch Nigeria da durch zu navigieren."

Innenpolitisch rege sich in dem Land mit rund 220 Millionen Einwohnern starker Widerstand gegen eine Intervention. "Unterm Strich will die in Nigeria keiner. Sowohl die Eliten als auch die Bevölkerung sind eindeutig gegen eine militärische Intervention. Es gibt in Nigeria sogar nicht wenige, für die angesichts der dramatischen Probleme im Land eine Rückkehr des Militärs eine ernstzunehmende Option ist." Nigerias Senat habe sich ebenso gegen einen Einsatz ausgesprochen wie die Gouverneure der Bundesstaaten an Nigerias Grenze zum Niger, die von Zehntausenden Terroristen und Bandenkriminellen heimgesucht werden und wo schwere Armut herrscht.  © dpa

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