Der Bundestag debattiert heute erstmals über das von der Regierung geplante Selbstbestimmungsgesetz. Worum es geht und was Kritiker sagen.
Viele Jahre haben Betroffene und ihre Unterstützer dafür gekämpft, nun soll das umstrittene Transsexuellengesetz tatsächlich abgeschafft werden. Die Ampelkoalition will stattdessen mit einem Selbstbestimmungsgesetz dafür sorgen, dass eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreicht, um Geschlechtseintrag oder Vornamen zu ändern. Betroffene sollen außerdem vor einem ungewollten Outing geschützt werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
An wen richtet sich das Gesetz?
Die Neuregelung richtet sich an transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Transsexuelle sind Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Als intergeschlechtlich werden Menschen bezeichnet, die körperliche Geschlechtsmerkmale ausweisen, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Unter nichtbinär versteht man Menschen, die sich selbst nicht in die gängige Geschlechtseinteilung in Mann/Frau einordnen.
Welche Regelung gilt bisher für solche Menschen?
Das aus dem Jahr 1980 stammende Transsexuellengesetz sieht vor, dass Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen müssen. Am Ende entscheidet dann das zuständige Amtsgericht. Teile der Vorschriften wurden inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Betroffene kritisieren das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend - sie sprechen von einer "psychiatrischen Zwangsbegutachtung".
Was soll künftig gelten?
Volljährige transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt die gewünschten Änderungen erreichen können. Dann können Dokumente wie der Reisepass umgeschrieben werden. Diese verlangte "Erklärung mit Eigenversicherung" muss nicht mit Gutachten flankiert werden und wird nicht gerichtlich überprüft. Sie ist unabhängig davon, inwieweit sich der oder die Betroffene zu geschlechtsangleichenden medizinischen Eingriffen entscheidet. Betroffene müssen lediglich erklären, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht.
Was ist mit Menschen unter 18?
Bei Kindern unter 14 sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein.
Wie oft kann der Geschlechtseintrag geändert werden?
Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht vorgesehen. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben - erst danach ist eine erneute Änderung möglich. "Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen", heißt es in dem Entwurf. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Drei-Monats-Frist.
Was steht noch in der Vorlage?
Es soll ein "bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot" geben - gemeint ist damit, dass es untersagt wird, gegen den Willen eines Menschen dessen frühere Geschlechtszuordnung oder den früheren Vornamen offenzulegen. Wer dies dennoch tut, muss mit einem Bußgeld rechnen. Es geht darum, ein "Zwangs-Outing" zu verhindern. Für Menschen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, soll die Eintragung "Elternteil" in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.
Welche Regelung war besonders umstritten?
Intensive Debatten gab es in der Frage von Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten - also etwa Saunen, Umkleidekabinen, Frauenhäusern und anderen Schutzräumen insbesondere für Frauen. Manche Frauenrechtlerinnen hatten Bedenken geäußert, solche Schutzorte generell auch für Trans-Personen öffnen zu müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht nun aber unberührt. Dabei gilt aber immer das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen verhindern soll.
Woran hat es zuletzt gehakt?
Einer früheren Verabschiedung des neuen Gesetzes standen zuletzt Bedenken aus dem Bundesinnenministerium entgegen. Die Befürchtung: Kriminelle könnten sich den Identitätswechsel zunutze machen und sich auf diese Weise den Strafverfolgungsbehörden entziehen. Um dies zu verhindern, nehmen die Standesämter laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nun eine Abfrage bei den Behörden vor, "die mit Fahndungsaufgaben betraut sind". (afp/mcf)
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