20 Jahre stand Abdelaziz Bouteflika an der Spitze des algerischen Staates. Doch das Militär und andere Politiker distanzierten sich mittlerweile vom ihm, seit Wochen gab es immer wieder Proteste. Nach dem sofortigen Rücktritt des Präsidenten stellt sich nun die Frage: Wer kommt jetzt?
In Algerien steht nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika ein Machtwechsel an. Am Abend hatte der 82-Jährige Präsident nach wochenlangen Massenprotesten offiziell seinen Rücktritt eingereicht.
Er habe dem Präsidenten des Verfassungsgerichts offiziell das sofortige Ende seiner Amtszeit bekanntgegeben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur APS. In der Hauptstadt Algier gingen am Abend und in der Nacht spontan Hunderte Menschen auf die Straßen und feierten.
"Diese Entscheidung (...) soll dazu beitragen, die Herzen und den Geist meiner Landsleute zu befrieden, um ihnen zu erlauben, Algerien in eine besser Zukunft zu führen", hieß es in dem Rücktrittsgesuch, das die staatliche Nachrichtenagentur am Dienstagabend veröffentlichte. Die Echtheit des Dokuments konnte nicht unabhängig überprüft werden.
Die Entscheidung solle auch dazu beitragen, Gefahren vom Staat abzuwenden, hieß es in dem Schreiben weiter. Dabei kommt der Rückzug schneller als erwartet. Zwar hatte Bouteflika am Montagabend angekündigt, vor dem Ende seiner Amtszeit am 28. April zurückzutreten, allerdings ließ er das Datum offen. Am Dienstag dann erhöhten Opposition und der Generalstabschef des Militärs, Ahmed Gaid Salah, weiter den Druck auf Bouteflika.
Die Folgen andauernder Proteste
Seit Wochen protestierten Hunderttausende Menschen im ganzen Land gegen den 82-jährigen Präsidenten und dessen Machtelite. Zunächst hatte Bouteflika darauf reagiert und Reformen angekündigt, gleichzeitig aber auch die für Mitte April angesetzte Präsidentschaftswahl verschoben und seine Amtszeit damit auf unbestimmte Zeit verlängert. Auch dagegen hatte es Proteste gegeben.
Laut algerischer Verfassung übernimmt im Fall des Rücktritts des Staatsoberhauptes der Präsident des Oberhauses das Amt. Seit 17 Jahren ist das Abdelkader Bensalah, ein alter Weggefährte Bouteflikas. Binnen 90 Tagen muss ein neuer Präsident gewählt werden. Eine offizielle Erklärung seitens der algerischen Staatsorgane gab es zunächst nicht.
Auch aus europäischer Sicht ist der Machtkampf in Algerien wichtig: Mehr als zwölf Prozent der EU-Gasimporte stammen von dort. Allerdings kämpft das Land mit wirtschaftlichen Problemen und leidet unter dem Preisverfall beim Öl. Die Wirtschaft Algeriens ist von Gas- und Ölexporten dominiert. Die Staatsverschuldung liegt nach Angaben der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI bei fast 39 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Arbeitslosenquote gerade bei jungen Hochschulabsolventen ist hoch.
Rückritt von vielen Seiten gefordert
Bouteflika war 1999 als Wunschkandidat des algerischen Militärs zum Präsidenten gewählt worden. In den vergangenen Tagen hatte sich die Militärspitze aber zusehends von dem gesundheitlich angeschlagenen Bouteflika zurückgezogen. Erst kurz vor der Bekanntgabe des Rücktritts hatte Generalstabschef Ahmed Gaid Salah erneut darauf hingewiesen, dass Bouteflika für amtsunfähig erklärt werden müsse. "Wir unterstützen das Volk, bis dessen Forderungen komplett erfüllt sind", hieß es in einer Erklärung des Verteidigungsministeriums. Militärchef Gaid Salah ist zudem stellvertretender Verteidigungsminister.
Auch mehrere algerische Oppositionsparteien hatten nach einem spontanen Treffen am Dienstag den sofortigen Rücktritt Bouteflikas gefordert. In einer Erklärung teilten die Parteien, zu denen auch die beiden größten islamistischen Parteien zählten, mit, dass sie keine der aktuell getroffenen Entscheidungen der Staatsführung akzeptieren würden. Dazu zähle auch die Einsetzung einer neuen Regierung am Wochenende.
Erst am Sonntag war der 59 Jahre alte Noureddine Bedoui offiziell zum Ministerpräsidenten Algeriens ernannt worden. Bedoui hatte Mitte März eine Regierung aus Technokraten versprochen, in der alle politischen Spektren vertreten sein sollten. Zahlreiche Politiker lehnten aber ab, in die Regierung einzutreten. Die anschließenden Proteste richteten sich auch gegen seine Ernennung zum Regierungschef. (kad/dpa)
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