Überraschung bei der Präsidentenwahl in Tunesien: Zur Stichwahl haben sich zwei politische Außenseiter qualifiziert - einer davon ist inhaftiert.
Bei der Präsidentenwahl in Tunesien kommt es zu einer Stichwahl zwischen zwei politischen Außenseitern. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewann der Verfassungsrechtler Kais Saied die erste Runde der Wahl mit 18,4 Prozent der Stimmen, wie die Obere Unabhängige Wahlbehörde am Dienstag mitteilte. Dahinter lag der derzeit inhaftierte Medienunternehmer Nabil Karoui mit 15,6 Prozent. Ein Termin für die Stichwahl steht noch nicht fest.
Mit Nabil Karoui zieht ein Medienunternehmer in die Stichwahl ein, der von vielen als "Berlusconi Tunesiens" bezeichnet wird. Die Justiz wirft dem Chef des privaten Fernsehsenders Nessma TV Geldwäsche und Steuerhinterziehung vor. Die Vorwürfe sind bereits drei Jahre alt. Kurz vor Beginn des offiziellen Wahlkampfs vor drei Wochen wurde Karoui festgenommen. Seine Anhänger sehen darin ein politisches Manöver.
Kais Saied: unabhängig und konservativ
Auch der Juraprofessor und Verfassungsrechtler Kais Saied hat derzeit kein politisches Amt inne. Als unabhängiger Kandidat ging er im Wahlkampf von Tür zu Tür und versuchte, die Menschen so zu überzeugen. In den sozialen Netzwerken bezeichnen viele den 61-Jährigen als "Robocop", weil er im Gegensatz zu den anderen Kandidaten geschliffenes, monotones Hocharabisch spricht - und nicht den lokalen tunesischen Dialekt. Er gilt als konservativ und befürwortet, dass Homosexualität in Tunesien weiter unter Strafe steht.
Mit der Wahl der beiden Außenseiter in die Stichwahl wurden vor allem derzeit amtierende Politiker und die Kandidaten der im Parlament vertretenen Parteien abgestraft. Ministerpräsident Youssef Chahed kam auf lediglich 7,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, Verteidigungsminister Abdelkarim Zbidi lag mit 10,7 Prozent knapp davor. Und auch der Kandidat der islamisch-konservativen Ennahda, Abdelfattah Mourou, verpasste mit 12,9 Prozent deutlich den Einzug in die Stichwahl.
Amtierende Politiker und Parlaments-Kandidaten abgestraft
Für die etablierten Parteien sei das Ergebnis ein Denkzettel, findet Politikwissenschaftler Max Gallien von der London School of Economics. Beide Kandidaten stellten sich als Bruch zu den bestehenden Strukturen in Tunesiens politischem System dar.
Die Wahlbeteiligung lag mit 45 Prozent weit unter dem Wert der vorangegangenen Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren. Damals hatten knapp 63 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimmen abgegeben. Trotz umfassender demokratischer Reformen nach den arabischen Aufständen 2011 sind viele Tunesier unzufrieden und hadern vor allem mit der schlechten Wirtschaftslage.
In Tunesien hat der Präsident nur geringe Befugnisse und ist vor allem für die Leitlinien der Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich. Bereits in drei Wochen steht die nächste Wahl in Tunesien an. Dann sind die Wähler aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. (dpa/sap)
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