Vor zwei Jahren mussten russische Truppen den Norden der Ukraine räumen. Nun legen die Verteidiger dort Befestigungen gegen einen möglichen zweiten Angriff an. Die Lage in der Ukraine im Überblick.
Bei der Ausweitung ihrer Drohnenangriffe nimmt die Ukraine einen schweren Schlag gegen die russische Luftwaffe für sich in Anspruch. Medien in Kiew zitierten am Freitag Informationen aus Sicherheitskreisen, die von 19 zerstörten oder beschädigten russischen Kampfflugzeugen sprachen. Russische Zivilbehörden meldeten nur ukrainische Drohnenangriffe in mehreren Regionen, in denen Militärflugplätze liegen. Ein russischer Militärblogger bestätigte den Angriff auf den Fliegerhorst Morosowsk im südrussischen Gebiet Rostow, dementierte aber den Verlust von Flugzeugen. Erste Satellitenaufnahmen ließen keine klare Bestätigung der Kiewer Angaben zu.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen die russische Invasion, am Samstag zählt sie den 773. Kriegstag. In der Nacht herrschte im Osten des Landes Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe meldete russische Flugzeuge und Kampfdrohnen in der Luft. Nahe der Hafenstadt Odessa sei eine russische Lenkrakete abgeschossen worden. Bei einem zweifachen russischen Raketenangriff auf die frontnahe ukrainische Großstadt Saporischschja im Süden wurden nach Stand vom Freitagabend mindestens vier Menschen getötet und viele weitere verletzt.
Angriffe auf russische Luftwaffenstützpunkte
Die Ukraine hat in den vergangenen Wochen die Angriffe im russischen Hinterland mit Kampfdrohnen aus eigener Entwicklung ausgeweitet. Dabei wurden die Fluggeräte meist in russische Ölraffinerien gelenkt, zuletzt auch in eine Drohnenfabrik etwa 1200 Kilometer weit von der Ukraine entfernt. Gleichzeitige Angriffe auf mehrere bedeutende russische Luftwaffenstützpunkte wie in der Nacht auf Freitag gab es bislang aber nicht.
In Morosowsk hat die russische Luftwaffe Bomber der Typen Suchoi Su-24 und Su-27 stationiert. Sie werden zum Abwurf der gefürchteten Gleitbomben auf Städte hinter der ukrainischen Front eingesetzt. Auf dem Stützpunkt seien sechs Flugzeuge zerstört und acht beschädigt worden, hieß es aus Sicherheitskreisen in Kiew. Der russische Militärblogger Fighterbomber verneinte dies. Die russische Seite sei gewarnt gewesen und habe die Jets rechtzeitig abgezogen. Unabhängig überprüfbar waren die Angaben beider Seiten nicht.
Auf dem Stützpunkt Jeisk im südrussischen Gebiet Krasnodar wurden den Kiewer Informationen nach zwei Erdkampfflugzeuge des Typs Su-25 zerstört. Ein weiterer Angriff habe dem über 600 Kilometer von ukrainischem Gebiet entfernten Militärflughafen Engels bei Saratow an der Wolga gegolten. Dabei seien drei strategische Bomber des Typs Tu-95 beschädigt worden. Mit solchen Langstreckenbombern schießt Russland oft Marschflugkörper auf die Ukraine ab. Zu den möglichen Folgen einer weiteren Attacke auf einen Militärflugplatz im Gebiet Kursk wurde vorerst nichts bekannt.
Zweifacher Raketenangriff auf Saporischschja
Durch russische Raketentreffer auf die südostukrainische Großstadt Saporischschja wurden nach Behördenangaben am Freitag mindestens vier Menschen getötet. 13 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden, darunter vier Schwerverletzte. Das teilte der Gouverneur des Gebiets, Iwan Fedorow, im ukrainischen Nachrichtenfernsehen mit. Der Gebietsverwaltung zufolge wurden mehr als 20 Menschen verletzt. Insgesamt seien fünf Raketen auf Ziele in der Stadt abgefeuert worden.
Zu den Verletzten zählten auch zwei Journalistinnen der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform und des TV-Senders 1+1. Sie hatten vor Ort über die Folgen der ersten Raketentreffer berichtet, als die zweite Angriffswelle folgte. Bereits in der vergangenen Nacht war Saporischschja von russischen Kampfdrohnen angegriffen worden.
Stromsperren wegen beschädigter Kraftwerke
Wegen der russischen Treffer auf ukrainische Strom- und Wärmekraftwerke in den vergangenen Wochen musste der Versorger Ukrenerho am Freitagabend in fünf Regionen für gut drei Stunden den Strom abschalten. Betroffen waren einer Mitteilung nach die Gebiete Dnipropetrowsk, Saporischschja, Kirowograd, Poltawa und Sumy. Die Bewohner der ostukrainischen Großstadt Charkiw leiden besonders unter Strommangel, und das schon seit Wochen. Dort sind die Einschränkungen noch strenger.
Ukraine befestigt ihre Grenze im Norden
Zwei Jahre nach der Rückeroberung des Gebiets Tschernihiw im Norden der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Region besucht. "Dank des Widerstands des Volkes ist es uns gelungen, diesem Krieg eine Wende zu geben, die Invasoren zu stoppen und sie aus unserer Heimat zu vertreiben", sagte der Staatschef in der Gebietshauptstadt Tschernihiw. Doch die Region an der Grenze zu Russland und Belarus werde weiterhin mit Artillerie beschossen. Selenskyj besuchte nach Angaben seines Präsidialamtes auch neu angelegte militärische Befestigungsanlagen mit Schützengräben, Minengürteln und Panzersperren. Die ukrainische Armee will damit einen möglichen zweiten Vorstoß russischer Truppen stoppen.
Zu Beginn des Angriffskrieges im Februar 2022 war die russische Armee auch durch diese Region in Richtung Kiew vorgerückt. Die Gebietshauptstadt Tschernihiw wurde nicht besetzt, aber wochenlang belagert. Als die russischen Truppen sich im April 2022 zurückzogen, kamen Stadt und Umland wieder unter ukrainische Kontrolle. (dpa/spl) © dpa
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