In der von Russland angegriffenen Ukraine ordnet Präsident Selenskyj seine Führung neu. Zu denen, die gehen müssen, zählt auch der Chefdiplomat des Landes.

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

Im Zuge einer größeren Regierungsumbildung in der Ukraine hat nach Parlamentsangaben auch Außenminister Dmytro Kuleba seinen Rücktritt erklärt. Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite ein Foto der handschriftlichen Bitte um Entlassung, die auf den heutigen Mittwoch datiert war. Wie Stefantschuk mitteilte, habe das Parlament das Rücktrittsgesuch Kulebas erhalten und werde in Kürze darüber abstimmen.

Der Karrierediplomat Kuleba war seit 2020 noch vor Beginn des russischen Angriffskrieges Außenminister. Der 43-Jährige gilt als äußerst beliebt in seiner Heimat. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine warb er bei zahlreichen Auslandsreisen um Unterstützung für sein Land und setzte sich für Sanktionen gegen Moskau ein.

Ukrainischen Medien zufolge soll Kuleba durch seinen bisherigen Stellvertreter Andrij Sybiga ersetzt werden, einen ehemaligen Vize-Leiter des Präsidialamts. Sybigas Ernennung zu Kulebas Stellvertreter im April war als Versuch der Präsidentschaft gewertet worden, mehr Einfluss auf das Außenministerium zu nehmen. Aus Regierungskreisen verlautete bereits damals gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, Kulebas Einfluss sei begrenzt und er unterstehe dem einflussreichen Präsidialamtschef Andrij Jermak.

Grund für Kulebas Rücktritt ist unklar

Gründe für den Rücktritt des ukrainischen Chefdiplomaten wurden vorerst nicht genannt. Schon seit Wochen hatte es jedoch Spekulationen über ein bevorstehendes Ausscheiden Kulebas aus der Regierung gegeben. So hatte ein hochrangiger Mitarbeiter im ukrainischen Präsidialamt kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Arbeitsweise des von Kuleba geführten Ministeriums kritisiert.

Darüber hinaus hatten vor Kurzem Äußerungen Kulebas zu in den 40er Jahren von ukrainischen Nationalisten an Polen verübten Massakern im Nachbarland für Empörung gesorgt. Kuleba hatte sich bei einem Besuch in Polen dafür ausgesprochen, die "Geschichte den Historikern zu überlassen und gemeinsam die Zukunft zu gestalten".

Zwischen beiden Ländern gibt es immer wieder Spannungen wegen unterschiedlicher Sichtweisen auf die gemeinsame Geschichte. Warschau gehört gleichzeitig zu den wichtigsten Verbündeten Kiews bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg.

Hälfte der Regierung soll ausgetauscht werden

Kulebas Rücktritt ist Teil einer größeren Regierungsumbildung, die Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits im Juli angekündigt hatte. Sechs Vertreter der Regierung, darunter mehrere Minister sowie zwei Vizeregierungschefinnen, haben seit Dienstag offiziell um ihre Entlassung gebeten.

Zu ihnen gehören die Minister für Strategische Industrien, Justiz und Umweltschutz. Zudem traten der Chef des staatlichen Vermögensfonds, Witalij Kowal, sowie die Vize-Regierungschefs Irina Wereschtschuk und Olha Stefanischyna zurück. Laut einem Dekret Selenskyjs wurde auch der stellvertretende Leiter seines Präsidialamts, Rostislaw Schurma, entlassen.

Wie der Fraktionschef von Selenskyjs Partei "Diener des Volkes", David Arachamia, am Dienstag im Onlinedienst Telegram ankündigte, sollen "mehr als 50 Prozent" der Regierungsmitglieder ausgetauscht werden. "Morgen werden wir einen Tag der Entlassungen haben, den Tag danach einen Tag der Ernennungen", kündigte Arachamia an, der als Vertrauter des ukrainischen Präsidenten gilt.

Selenskyj begründet den Umbau damit, dass er die Regierungsarbeit unter der Last des Krieges effektiver machen wolle. Seit Kriegsbeginn hatte er die Regierung wiederholt umgebaut. Vergangenen September schasste er seinen Verteidigungsminister nach einer Reihe von Korruptionsskandalen. Vor Kurzem tauschte er nach einer Reihe von Rückschlägen auf dem Schlachtfeld seinen Armeechef aus.

Selenskyjs im Jahr 2019 begonnene Amtszeit endete im Mai. Aufgrund des seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 geltenden Kriegsrechts bleibt er aber bis auf Weiteres im Amt. (dpa/afp/bearbeitet von mbo/thp)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © picture alliance / Photoshot/