Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hätte sich von Kanzler Olaf Scholz (SPD) deutlichere Worte zu Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gewünscht. "Offensichtlich hat der Bundeskanzler Erdogan klar gemacht, dass die absurdesten seiner Aussagen der letzten Wochen auf deutschem Boden zu unterbleiben haben", sagte Schuster der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit Blick auf die gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und Erdogan bei dessen Besuch in Berlin.

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"Wenn Erdogan allerdings rechtsstaatlich verurteilte Hamas-Terroristen als vermeintliche Geiseln Israels bezeichnet und mehr als subtil das dämonisierende Narrativ Israels als Kindermörder bedient, sind das klare Signale an die antisemitischen Aufrührer auf deutschen Straßen: macht weiter so", sagte Schuster. "Das hätte vom Kanzler klar erkannt und angesprochen werden müssen."

Unwürdige Aussagen zu Israels Unterstützung und NATO

Er hätte auch erwartet, dass öffentlich deutlich gemacht werde, dass die Unterstützung der einzigen Demokratie im Nahen Osten nicht in erster Linie etwas mit der Schoah zu tun habe, betonte Schuster. Diese Aussagen Erdogans seien eines Nato-Mitgliedes unwürdig. "Wie gefährlich solches Zündeln auf öffentlichen Pressekonferenzen sein kann, haben wir in der Vergangenheit erlebt. In der Türkei wird Erdogan bereits für seinen Auftritt gefeiert."

Erdogan kritisiert Israel: Vorwurf von Geiseln und unverhältnismäßiger Gewalt im Gazastreifen

Erdogan hatte Israel vorgeworfen, mehr Geiseln zu halten als die mehr als 200 der Hamas im Gazastreifen. Seit Jahren seien "Geiseln und Gefangene" in Israels Händen und "bei weitem mehr". Auf was genau er sich bezog, blieb dabei offen.

Der türkische Präsident kritisierte auch, Israel habe Tausende Palästinenser getötet, darunter Kinder, Krankenhäuser vernichtet, Gebetshäuser und Kirchen zerbombt. "Warum gibt es keine Reaktion?" Erdogan reklamierte für sich, frei reden zu können, und ergänzte: "Denn wir schulden Israel nichts." Sein Land sei nicht am Holocaust beteiligt gewesen. Das kann als verklausulierte Kritik verstanden werden, dass Deutschland Israel wegen seiner historischen Schuld für den Holocaust zu stark in Schutz nehme.  © dpa

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