In den vergangenen zehn Jahren ging es in Sri Lanka weitgehend friedlich zu, die tropische Insel erholte sich von dunkleren Tagen. Nach einer verheerenden Anschlagsserie am Ostersonntag ist damit erstmal Schluss. Düstere Erinnerungen an eine schlimme Zeit werden wach.
"Wie ein Déjà-Vu" beschreibt Gerhard Tauscher den blutigen Ostersonntag aus Sicht der Sri Lanker. Die Anschläge auf Kirchen und Hotels seien ein Rückfall in finstere Zeiten, sagt Tauscher, der in der Hauptstadt Colombo für den Einsatz der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung zuständig ist. "Da ist ganz viel Porzellan zerschlagen."
Im kommenden Monat jährt sich das Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka, der gut ein Vierteljahrhundert dauerte, zum zehnten Mal. Wie es schien, hatte der südasiatische Inselstaat die Gewalt endlich hinter sich gelassen, auch wenn Spannungen blieben. Der Tourismus blühte.
Am Sonntag nahm innerhalb einer halben Stunde beides schweren Schaden - der Frieden und das Image des Landes als Traumurlaubsziel.
"Viele Körperteile überall verstreut"
Vieles ist noch ungewiss. Über die Angreifer ist wenig bekannt, obwohl es Festnahmen gegeben hat. Regierungsvertreter sprechen vage von extremistischen Gruppen. Deren Opfer waren vor allem Christen, die in drei Kirchen den Ostergottesdienst feierten.
Die Täter hatten es wohl auch auf Ausländer abgesehen, denn drei Fünf-Sterne-Hotels in Colombo gehörten ebenfalls zu ihren Zielen. Mindestens einer der Anschläge wurde, wie die Polizei vermutet, von einem Selbstmordattentäter verübt.
In den betroffenen Kirchen herrscht nach den Explosionen Chaos. Bilder zeigen Holztrümmer eines Kirchendachs auf dem Boden. Daneben blutüberströmte Menschen, die versuchen, einander zu helfen.
Auf einem Video ist zu sehen, wie reglose Opfer aus einer Kirche herausgetragen werden. Schockiert dreinblickende Menschen laufen durch Scherbenhaufen. Schreie sind zu hören. "Ich habe gesehen, wie Leute aus ihren Plätzen geschleudert wurden", erzählt Jude Sebestian, der die Ostermesse in der St.-Antonius-Kirche in Colombo besucht hatte.
"Schreckliche Szenen", twittert Sri Lankas Minister für Wirtschaftsreformen, Harsha de Silva. "Ich habe viele Körperteile überall verstreut gesehen."
Unter den mehr als 200 Toten und Hunderten Verletzten sind einige Ausländer, die große Mehrheit sind aber Einheimische.
Der Konflikt schwelte weiter
Im Bürgerkrieg kämpften die "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) von 1983 bis 2009 für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Tropeninsel. Die LTTE verübte im ganzen Land Selbstmordanschläge und sprengte Züge in die Luft.
Die Armee bombardierte das Siedlungsgebiet der Tamilen. Schätzungen zufolge starben während des Bürgerkriegs an die 100.000 Menschen. Beiden Seiten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Der Konflikt schwelt in den Tamilengebieten im Nordosten des Landes auf niedriger Flamme durchaus noch weiter. Und es gibt auch andere Spannungen in der sri-lankischen Gesellschaft. Im vergangenen Jahr kam es zu Angriffen von wütenden Mobs der buddhistischen Mehrheit der Singhalesen gegen Muslime - angefacht von Gerüchten, die sich über soziale Medien verbreiteten.
In den zehn Jahren seit dem Ende des Krieges hatte es aber keine Anschläge mehr gegeben. Und weder Christen - die nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung ausmachen - noch Ausländer waren zur Zielscheibe von Gewalt geworden.
Einige Stunden nach den ersten sechs Explosionen knallt es am Sonntagnachmittag plötzlich noch zweimal, in einem weiteren Hotel und einer Wohngegend in Vororten von Colombo.
Durch Ausgangssperre soll Ruhe einkehren
Der Regierung zufolge sind es dieselben Täter, die identifiziert seien und nun flüchteten. Eine Ausgangssperre tritt in Kraft, der Zugang zu sozialen Medien wird blockiert. Damit soll Ruhe einkehren.
Im Supermarkt hätten sich viele Menschen noch schnell mit dem Nötigsten eingedeckt, erzählt Gerhard Tauscher. Die Ausgangssperre soll zunächst bis Montagmorgen gelten.
"Wir gehen davon aus, dass das deutlich länger andauert", meint Tauscher. So schnell wird Sri Lanka nicht zu der Normalität zurückkehren, die es in den vergangenen zehn Jahren genossen hat. © dpa
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