Die Republikaner hatten Steve Scalise für das Amt des Vorsitzenden im US-Repräsentantenhaus nominiert. Doch für die notwendige Mehrheit bei einer Abstimmung fehlte ihm der Rückhalt in den eigenen Reihen. Nun steht die Fraktion wieder ohne Kandidaten da.
Das Chaos bei den Republikanern im US-Repräsentantenhaus spitzt sich zu: Der von den Konservativen für den Vorsitz der Kongresskammer nominierte Abgeordnete Steve Scalise hat seine Kandidatur zurückgezogen. Das gab der erzkonservative Politiker am Donnerstagabend (Ortszeit) angesichts mangelnder Unterstützung aus den eigenen Reihen bekannt.
Damit bleibt das Repräsentantenhaus in Zeiten einer drohenden Haushaltssperre und großer internationaler Krisen weiterhin gelähmt, ohne dass ein Ausweg in Sicht wäre.
Knappes Ergebnis bei interner Abstimmung
Die Republikaner-Fraktion hatte ihren Mehrheitsführer am Mittwoch in einer internen Abstimmung als Nachfolger des vergangene Woche abgesetzten Kevin McCarthy an der Spitze des Repräsentantenhauses nominiert.
Das Ergebnis fiel aber sehr knapp aus: Der 58-jährige Abgeordnete aus dem Südstaat Louisiana - die Nummer zwei bei den Republikanern im Repräsentantenhaus - bekam 113 Stimmen, der von Ex-Präsident
Schnell wurde klar, dass Scalise nicht die im gesamten Plenum notwendige Mehrheit von 217 Stimmen erreichen würde. Nach der Fraktionsabstimmung kündigten mehrere Republikanerinnen und Republikaner an, Scalise nicht unterstützen zu wollen. Weil die Konservativen im Repräsentantenhaus nur über eine knappe Mehrheit verfügen, konnte sich Scalise nur wenige Abweichler in den eigenen Reihen leisten.
Beobachtern zufolge wollten aber rund 30 Abgeordnete sich nicht hinter Scalise stellen. Trump selbst schwächte den Kandidaten, als er in einem Interview sagte, Scalise könne das anstrengende Amt des Vorsitzenden wegen einer Blutkrebserkrankung kaum ausüben.
Scalise spricht von "Spaltungen" in der Fraktion
Der Mehrheitsführer versuchte den Donnerstag über, Zweifler in den eigenen Reihen umzustimmen - offenbar erfolglos. "Ich habe gerade meinen Kollegen mitgeteilt, dass ich meinen Namen als Kandidat als designierter Vorsitzender zurückziehe", sagte der 58-Jährige am Abend.
Er warf einigen republikanischen Abgeordneten vor, "ihre eigene Agenda" zu verfolgen, und mahnte angesichts der Zerstrittenheit der Partei: "Dieses Land zählt auf uns, um wieder zusammenzukommen. Das Repräsentantenhaus braucht einen Vorsitzenden, und wir müssen das Repräsentantenhaus wieder öffnen." Es gebe aber immer noch "Spaltungen" in der Fraktion.
Ohne Vorsitzenden kann das Repräsentantenhaus keine Gesetze beschließen. Der Machtkampf unter den Republikanern ereignet sich zu einer Zeit, in der US-Präsident Joe Biden weitere Militärhilfen für das von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas angegriffene Israel und die von Russland angegriffene Ukraine durch den Kongress bekommen will. Außerdem droht Mitte November ein sogenannter Shutdown, wenn der Kongress bis dahin keinen neuen Haushalt oder Übergangshaushalt beschließt.
Der bisherige Repräsentantenhaus-Vorsitzende McCarthy war am 3. Oktober im Zuge einer Revolte rechter Hardliner der eigenen Partei gestürzt worden. Hintergrund war der Streit über den US-Haushalt und neue Ukraine-Hilfen.
Die Zerstrittenheit der Republikaner war schon bei McCarthys Wahl im Januar offenkundig geworden: Damals hatte der Abgeordnete aus Kalifornien eine Rekordzahl von 15 Wahlgängen gebraucht, um zum "Speaker" (Sprecher) des Repräsentantenhauses gewählt zu werden, wie der Vorsitzende der Kongresskammer in den USA genannt wird.
Weiteres Vorgehen ist noch völlig ungewiss
Viele Republikaner hatten gehofft, nun rasch einen Nachfolger für McCarthy ins Amt zu wählen - Hoffnungen, die sich am Donnerstag zerschlugen. Wie es jetzt weitergehen soll, ist unklar.
Die Republikaner könnten den Hardliner Jordan als Kandidaten aufstellen, allerdings gibt es im Lager der moderaten Konservativen viele Vorbehalte gegen den für seinen aggressiven Politik-Stil bekannten Trump-Verbündeten. McCarthy hatte sich zuletzt offen gezeigt, das Amt wieder zu übernehmen - wenn die Fraktion dies will.
Zwischenzeitlich hatte sich auch Trump als Übergangslösung ins Spiel gebracht. Der demokratische Minderheitsführer Hakeem Jeffries wiederum hat zur Bildung einer "parteiübergreifenden Regierungskoalition" aufgerufen - was bei den Republikanern aber auf taube Ohren stieß.
Dem Repräsentantenhaus gehören normalerweise 435 Abgeordnete an. Derzeit sind es wegen zweier Vakanzen 433 Abgeordnete: 221 Republikaner und 212 Demokraten. Um zum Vorsitzenden gewählt zu werden, sind - wenn alle Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen - 217 Stimmen nötig. (afp/dpa/fte)
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