Das argentinische Volk trat am Sonntag an die Wahlurnen, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Im ersten Wahlgang setzte sich überraschend der linksgerichtete Wirtschaftsminister Massa durch. Er wird wohl im November in einer Stichwahl gegen Konkurrent Milei antreten.

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Regierungskandidat Sergio Massa hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Argentinien überraschend gewonnen. Der Wirtschaftsminister von der linken Unión por la Patria (Union für das Vaterland) kam auf rund 36 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt am Sonntagabend nach Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Auf dem zweiten Platz landete mit 30 Prozent der libertäre Populist Javier Milei von der Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran), der als Favorit galt.

Massa setzt sich überraschend bei Präsidentenwahl in Argentinien durch

Der 51-jährige Wirtschaftsminister Massa war für das Mitte-links-gerichtete Regierungslager angetreten, das die argentinische Politik seit Jahrzehnten dominiert. In seiner Wahlkampfzentrale brach am Sonntagabend Jubel aus. "Massa hat einen sehr guten Wahlkampf gemacht. Er hat den Kontakt mit den Menschen gesucht", sagte Jonatan Pagano, ein 36-jähriger Bauarbeiter.

Die frühere Innenministerin Patricia Bullrich vom konservativen Oppositionsbündnis Juntos por el Cambio (Gemeinsam für den Wandel) erzielte nur knapp 24 Prozent. Massa und Milei dürften demnach am 19. November in einer Stichwahl gegeneinander antreten. Der künftige Präsident tritt am 10. Dezember sein Amt an. Am Sonntag waren mehr als 35 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen. Sie konnten auch über eine teilweise Neubesetzung des Parlaments abstimmen.

"Argentinien braucht Stabilität und Berechenbarkeit", schrieb Massa nach seiner Stimmabgabe auf der Plattform X, ehemals Twitter. Milei sagte: "Wir sind in der Lage, die beste Regierung in der Geschichte zu bilden."

Argentinien steckt in einer schweren Staatskrise

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise: Die Inflationsrate liegt bei 138 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unter der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

Javier Milei
Der als "argentinische Trump" bekannt gewordene Politiker Javier Milei erreichte Platz 2 bei den Wahlen um das Präsidentschaftsamt. © IMAGO/ZUMA Wire/Mariana Nedelcu

Nach seinem Sieg bei den Vorwahlen galt Milei als Favorit in der ersten Wahlrunde. Der selbst ernannte "Anarchokapitalist" will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, die Zentralbank und viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben radikal kürzen. Das kommt vor allem bei jungen Leuten gut an, die oft nur ein Leben im ständigen Krisenmodus kennen.

Für viele Argentinier verkörperte daher der ultraliberale Ökonom Milei die Hoffnung auf einen Aufschwung. Milei, der am Sonntag 53 Jahre alt wurde, machte im Wahlkampf mit spektakulären Auftritten mit Kettensäge von sich Reden und kündigte an, mit der "parasitären Politiker-Kaste" aufräumen zu wollen.

Mitbewerber Milei wie Trump oder Bolsonaro

Milei wird oft mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und dem brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro verglichen. Er ist gegen Abtreibung und Sexualkundeunterricht, leugnet die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel und kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs rund zehn Ministerien abschaffen zu wollen.

Bolsonaros Sohn Eduardo demonstrierte am Sonntag in der Wahlkampfzentrale Mileis seine Unterstützung: "Ich glaube, dass Milei gewinnen wird, ob in der ersten oder zweiten Wahlrunde, ist egal", sagte er.

Massa hingegen setzte auf die eingespielte Wahlkampfmaschine der regierenden Peronisten und griff zuletzt tief in die Staatskasse, um die Wähler bei Laune zu halten. Er ordnete massenhafte Neueinstellungen im öffentlichen Dienst an, genehmigte höhere Freibeträge bei der Einkommensteuer und gewährte Einmalzahlungen für Angestellte und Pensionäre.

Trotz Massas Sieg in der ersten Runde ist das Rennen in der Stichwahl wieder völlig offen. Zumindest ein Teil der konservativen und marktliberalen Wählerschaft der unterlegenen Kandidatin Bullrich könnte in der zweiten Runde zu Milei überlaufen.

"Für uns ist das ein großer Triumph. Die Millionen, die für uns gestimmt haben, haben die Hoffnung, dass es einen Wandel geben wird", sagte Mileis Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, Victoria Villarruel. "Sergio Massa steht für das Alte, wir sind der Wandel." (afp/dpa/the)

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