• Auf vielen europäischen Verbindungen wäre der Zug eine zeitliche Alternative zum Flugzeug.
  • Das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace.
  • Das Papier macht aber auch deutlich, auf welchen Strecken noch erhebliches Verbesserungspotential für die Bahn besteht.

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Fast jeder dritte der populärsten Kurzstreckenflüge in Europa ließe sich gut durch eine Bahnfahrt ersetzen. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der italienischen Denkfabrik OBC Transeuropa im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace hervor.

Demnach ließen sich schon heute 29 Prozent der 250 am meisten geflogenen europäischen Kurzstrecken "durch eine klimaschonende Zugfahrt von unter sechs Stunden ersetzen", wie Greenpeace in einer Pressemitteilung schreibt. Bei weiteren 15 Prozent der Verbindungen würden direkte Nachtzugverbindungen bestehen.

Laut der Studie ließen sich alle fünf Flugverbindungen in der EU mit dem höchsten Passagiervolumen des Jahres 2019, dem letzten Jahr vor der Coronakrise, durch Zugfahrten mit nur unwesentlich längerer Reisedauer (Zugfahrt unter 6 Stunden) ersetzen, darunter die Verbindungen Paris-Toulouse, Madrid-Barcelona und Frankfurt-Berlin. Von den Top 150 Flugstrecken innerhalb der Europäischen Union träfe das Greenpeace zufolge auf 51 Verbindungen (34 Prozent) zu. Für 21 der Verbindungen (14 Prozent) bräuchte die Bahn sogar weniger als vier Stunden. Nur drei der insgesamt 150 untersuchten Strecken sind gegenwärtig nicht mit dem Zug machbar.

Etliche Strecken sind ohne große Probleme mit dem Zug zu bewältigen

Deutschland kommt eine Schlüsselposition in Europa zu, denn ein Drittel der meistgenutzten Flugstrecken innerhalb der EU beginnen oder enden hierzulande. Neun der zehn meistgenutzten Strecken, auf denen mehr als eine Million Fluggäste pro Jahr befördert werden, könnten laut der Studie mit dem Zug in weniger als sechs Stunden zurückgelegt werden, darunter Paris-Frankfurt, Paris-München und Amsterdam-Berlin.

Schaut man auf alle in Deutschland startenden oder landenden Flüge, so könnte jeder dritte durch eine klimaschonende Zugfahrt von unter sechs Stunden ersetzt werden.

Auf der anderen Seite sind – zumindest aktuell – sind viele Verbindungen nur mit erheblichem zeitlichem Aufwand mit der Bahn zu machen, darunter etwa die Strecke Rom-Bukarest (würde 40:32 Stunden dauern), Berlin-Helsinki (41:32 Stunden) oder auch Madrid-München (28:37 Stunden) – bei letzterer Verbindung müsste man vier Mal umsteigen. Selbst die zwei geografisch vergleichsweise nah beieinander liegenden Städte Amsterdam und Kopenhagen (Luftlinie 620 Kilometer) lassen sich derzeit nur schlecht mit dem Zug verbinden. Die Fahrt würde hier 11:08 Stunden dauern, auch hier müsste man viermal umsteigen.

Auch die Zugverbindungen zwischen Wien und Mailand (9:25 Stunden mit der Bahn), Paris und Kopenhagen (14:13 Stunden) sowie Barcelona und Lissabon (13:32 Stunden) dauern in Anbetracht der geografischen Nähe vergleichsweise lange, vor allem weil es keine Direktverbindungen gibt.

Greenpeace will Kurzstreckenflüge verbieten

Die Mehrheit der Passagierflüge in Europa sind Kurzstreckenflüge, daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Flüge mit einer Distanz bis 1000 Kilometer hatten 2020 laut dem Statistischen Bundesamt einen Anteil von 53 Prozent an allen Passagierflügen, die auf den deutschen Hauptverkehrsflughäfen starteten oder landeten. Der Anteil war damit ähnlich hoch wie 2019 (54 Prozent).

Kurzstreckenflüge sind aus Klimaschutzgründen umstritten. Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte bereits Mitte Mai gesagt, dass es diese "perspektivisch nicht mehr geben" sollte.

Die Umweltschützer von Greenpeace nehmen nun die kommende Bundesregierung in die Pflicht, an der höchstwahrscheinlich auch die Grünen beteiligt sein werden. "Wenn es die kommende Bundesregierung mit dem Klimaschutz ernst meint, muss sie das Bahnangebot ausbauen und klimazerstörende Kurzflüge beenden", forderte die Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat.

Denn diese seien etwa zwölfmal so klimaschädlich wie vergleichbare Bahnfahrten. "Flüge auf Strecken, die sich in wenigen Stunden mit dem Zug erreichen lassen, sind das Gegenteil von Klimaschutz. Auf solchen Kurzstrecken darf nicht länger geflogen werden", sagt Donat.

250 Flugverbindungen geprüft, die den Großteil der Passagierzahlen ausmachen

Der Greenpeace-Bericht hat neben den 150 in der EU am meisten geflogenen Kurzstrecken auch die Top-250-Flüge in Europa (EU plus Schweiz, Norwegen und Vereinigtes Königreich) mit bereits bestehenden Bahnverbindungen verglichen. Die 250 Strecken machen zusammen etwa 85 Prozent der europäischen Flugpassagierzahlen aus.

Greenpeace fordert für Deutschland in einem ersten Schritt, viel geflogene Verbindungen wie Frankfurt nach Brüssel, München, Berlin oder Hamburg zu streichen, da die Bahn hier komfortable und schnelle Verbindungen bietet. (mf/dpa)

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