Die erste Phase der Impfkampagne gegen Polio im Gazastreifen ist beendet. Laut UNICEF wurden bislang die vereinbarten Kampfpausen eingehalten.
Vor einigen Wochen wurde im Gazastreifen ein Fall von Kinderlähmung bekannt – der erste seit 25 Jahren. Das Kinderhilfswerk der UN warnte gemeinsam mit anderen UN-Organisationen direkt vor einer Ausbreitung des Virus. Israel stimmte in der Folge Feuerpausen zu, damit eine große Impfaktion stattfinden kann.
Am Sonntag hat nun eine dreitägige Impfkampagne begonnen, die gemeinsam mit der WHO (Weltgesundheitsorganisation), UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) und dem palästinensischen Gesundheitsministerium durchgeführt wird.
In den ersten drei Tagen der Impfkampagne im Gazastreifen sind bereits mehr als 187.000 Kinder unter zehn Jahren geimpft worden. Direkt am Sonntag konnten schon 85.000 Kinder geimpft werden. "Die erste Phase der Polio-Impfung in Zentral-Gaza ist abgeschlossen", schrieb der Chef der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, am 4. September auf der Plattform X.
Impfkampagne wird ausgeweitet
Das Ziel, in dem Zeitraum in der Gegend 156.500 Kinder zu impfen, sei übertroffen worden, schrieb Tedros. In den kommenden drei Tagen würden im Zentrum des Gazastreifens an vier Standorten weiter Impfungen angeboten.
Nach Angaben der von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde befinden sich diese etwa in der Stadt Deir al-Balah und im Flüchtlingsviertel Nuseirat.
Auch im Süden Gazas soll es laut Tedros Vorbereitungen auf eine Impfkampagne geben. Diese soll laut WHO 340.000 Kinder erreichen.
Ein kleiner Schimmer Hoffnung im Kriegstreiben
"Die letzten drei Tage haben einen seltenen Lichtblick inmitten des verheerenden Konflikts im Gazastreifen gebracht", sagt Adele Khodr, UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika. Viele Familien hätten sich bemüht, zu den Impfstellen zu kommen. Für die Impfkampagne hatte UNICEF in den vergangenen Wochen 1,26 Millionen Impfdosen in den Gazastreifen transportiert.
Für die Impfungen waren zeitlich und örtlich begrenzte Kampfunterbrechungen vereinbart worden. Diese sind maßgeblich dafür, dass Eltern und Kinder einigermaßen sicher zu den Impfstellen gelangen. Zudem sollte so möglich gemacht werden, dass humanitäre Helferinnen und Helfer Kinder in betroffenen Gebieten, die es nicht zu den Impfstellen schaffen, aufsuchen können.
"Die vereinbarten Pausen wurden in dieser ersten Phase eingehalten", so Khodr. Es handelt sich ihren Angaben nach um "eine der gefährlichsten und schwierigsten Impfkampagnen der Welt". Trotz Kampfpausen gebe es große Hindernisse und Gefahren – unter anderem Plünderungen und kaputte Straßen.
Was genau ist Polio und was für Impfstoffe gibt es?
- Poliomyelitis, kurz Polio oder auch Kinderlähmung genannt, ist eine Viruserkrankung, die das zentrale Nervensystem angreift. Sie kann zu dauerhaften Lähmungen, zum Beispiel in den Beinen, führen. Allerdings ist bei 5 bis 10 Prozent der Patientinnen und Patienten auch die Atemmuskulatur betroffen. In diesem Fall verläuft Polio tödlich. Polio wird deswegen auch Kinderlähmung genannt, da insbesondere kleine Kinder unter fünf Jahren gefährdet sind, zu erkranken. Übertragen wird der Erreger von Mensch zu Mensch über Schmierinfektionen.
- Behandlung und Vorbeugung: Gegen Polio gibt es keine Medikamente, der Krankheit kann nur durch eine Impfung vorgebeugt werden. Es gibt zwei Impfstoffe, einen oralen Lebendimpfstoff und einen inaktivierten. Die Schluckimpfung ist kostengünstig und kann schnell und einfach verabreicht werden. Der inaktivierte Impfstoff wird mit einer Spritze injiziert.
Situation der Menschen begünstigt Krankheiten
Anlass für die Impfkampagne war unter anderem der erste Fall von Polio seit 25 Jahren. Betroffen war ein elf Monate altes Baby. Im Gazastreifen leben Hunderttausende Vertriebene auf engstem Raum – sauberes Wasser und ausreichend Platz für Hygiene sind hier kaum vorhanden. Zudem haben die Menschen wenige Möglichkeiten, sich medizinisch versorgen zu lassen.
Gefunden wurden Impfstoff-abgeleitete Polioviren (cVDPV Typ 2). Gegen diesen Typ wird nun geimpft. Nach Angaben der WHO müssen mehr als 90 Prozent der Kinder geimpft werden, um eine Ausbreitung zu verhindern. Nach vier Wochen brauchen alle Geimpften eine zweite Dosis. (dpa/bearbeitet von cm)
Verwendete Quellen
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