• In der Corona-Pandemie hat der Bund der Lufthansa mit einer Beteiligung durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) von 300 Millionen Euro durch die Krise geholfen.
  • Nun hat der Bund seine Anteile verkauft, das Unternehmen ist wieder vollständig in privater Hand.
  • Was bedeutet der Verkauf für Kunden und Beschäftigte und war der Einstieg ein Erfolg? Das erklärt der Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Professor Achim Wambach.

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Die Corona-Pandemie hat den Flugverkehr im Jahr 2020 nahezu vollständig lahmgelegt und damit die Fluggesellschaften und Flughäfen vor riesige Herausforderungen gestellt. Mit stillen Einlagen und einem Aktienkauf von 20 Prozent hat der Bund dabei der größten deutschen Fluggesellschaft, der Lufthansa, in der Krise unter die Arme gegriffen.

Nach zwei Jahren Beteiligung hat die Finanzagentur des Bundes nun mitgeteilt, dass das Engagement beendet wurde: "Das Unternehmen liegt wieder in privaten Händen", so die Geschäftsführerin der Finanzagentur Jutta Dönges in einer Pressemitteilung. Sie ist für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds verantwortlich, aus dem rund 300 Millionen Euro für die Rettung der Lufthansa geflossen sind.

Wirtschaftsexperte Wambach: Staat hat Lufthansa durch Krise geholfen

Während die Lufthansa die stillen Einlagen bereits 2021 getilgt hatte, hat der Bund nun die restlichen Aktien verkauft. Blickt man auf die nackten Zahlen, so hat sich der Ein- und Ausstieg bei der Lufthansa für den Steuerzahler gelohnt. Laut der Finanzagentur des Bundes habe man 760 Millionen Euro Gewinn gemacht. Jutta Dönges bezeichnet das als "erfreuliche Bilanz".

Der Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, erklärt dazu im Gespräch mit unserer Redaktion: "Die Frage ist, woran ein Erfolg gemessen wird. Der Staat hat zunächst einmal einem Unternehmen geholfen, eine Krise zu überstehen. Er hat durch sein Engagement die Liquidität des Unternehmens gesichert und die Lufthansa ist durch die Krise nicht insolvent gegangen."

Lufthansa-Erfolg bei einem staatlichen Einstieg nicht an nackten Zahlen messen

Die Sorge bei einem staatlichen Engagement bestehe immer darin, dass der Staat zu lange im Unternehmen bleibe: "So ist das beispielsweise bei der Commerzbank. Der Staat ist in der Finanzkrise 2009 eingestiegen und hängt nun immer noch in dem Unternehmen. Erfolg wird nicht nur an nackten Zahlen gemessen. Die Fragen, die man stellen sollte, sind vielmehr: Hat der Staat das Unternehmen konsequent unterstützt und dabei Erfolg gehabt? Ist er in einem angemessenen zeitlichen Rahmen ein- und wieder ausgestiegen?"

Vor diesem Hintergrund ist der Einstieg des Bundes bei der Lufthansa als Erfolg zu werten. Das zweijährige Engagement hat dem Unternehmen durch die Krise geholfen und der Bund ist früher ausgestiegen als eigentlich gedacht. Auch der Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat den Ausstieg in einer Pressemitteilung der Lufthansa Group begrüßt.

Lufthansa-Chef bedankt sich bei Bundesregierung und Steuerzahlern

Er bedankte sich bei der Bundesregierung und den Steuerzahlern für die Unterstützung in der "schwersten finanziellen Krise der Unternehmensgeschichte" und sagte: "Die Stabilisierung der Lufthansa war erfolgreich und zahlt sich auch finanziell für die Bundesregierung und damit für den Steuerzahler aus."

Früher als erwartet habe man die Stabilisierungsmittel zurückgezahlt, und "ein Jahr vor Ablauf der Frist hat nun auch der WSF die letzten verbliebenen Aktien verkauft." Außerdem kündigte Spohr eine "breit angelegte Premiumprodukt- und Qualitätsoffensive" an.

Achim Wambach erklärt zum finanziellen Erfolg des Einstiegs des Bundes: "Der Staat ist nicht als Spekulant tätig. Bei seinem Engagement hätte auch ein Verlust herauskommen können. Natürlich ist es schön für den Steuerzahler, wenn am Ende ein Gewinn steht. Aber es war nicht das Ziel des Staates, mit dieser Maßnahme Geld zu verdienen. Das Ziel war es, das Unternehmen Lufthansa zu retten. Das ist gelungen."

"Krisen können auch dafür sorgen, dass Unternehmen vom Markt verschwinden"

Ein schneller Ausstieg des Bundes, das zeigt auch die Äußerung des Lufthansa-Chefs Carsten Spohr, war dem Unternehmen willkommen. Wambach erklärt dazu, dass es für Unternehmen bei einer Involvierung des Staates schwierig sein kann, sinnvolle und notwendige Schritte in der Firmenstruktur vorzunehmen: "Da fällt es einem Unternehmen oft schwer, zu restrukturieren." Aufgrund des eher kurzfristigen Engagements ist das bei der Lufthansa aber wohl nicht der Fall.

Es habe aber auch schon andere Fälle gegeben, bei denen der Bund in Firmen eingestiegen sei, bei denen eine langfristige Perspektive am Markt nicht zwingend gegeben war. "Krisen können eben auch dafür sorgen, dass Unternehmen vom Markt verschwinden. Das Engagement des Bundes unter Gerhard Schröder beim Baukonzern Holzmann ist ein Beispiel, bei dem man eher nicht davon reden würde, dass das ein Erfolg war. Und auch in der Finanzkrise ist der Staat bei Banken eingestiegen und teilweise, wie bei der Commerzbank, noch immer nicht wieder ausgestiegen," so der ZEW-Präsident.

Der Baukonzern Holzmann wurde 1999 durch einen staatlichen Einstieg gerettet, ging dann aber drei Jahre später trotz eines milliardenschweren Sanierungskonzeptes unter anderem aufgrund ausgebliebener Restrukturierungen bankrott.

Nach Lufthansa-Rettung: Wirtschaftsexperte erklärt Insolvenzstatistik

Mit Blick auf die aktuellen Statistiken zu Insolvenzzahlen beobachtet Wambach auch heute tendenziell ein zu starkes Engagement des Staates. "Wir haben einen Trend, auch schon vor der Corona-Pandemie, der klar zeigt, dass Insolvenzzahlen zurückgehen. In der Krise selbst sind die Zahlen aber über diesen Trend hinaus zurückgegangen. Da kann man schon fragen, ob das sinnvolle Krisenpolitik des Staates ist."

Aus den Zahlen lässt sich mit anderen Worten ablesen, dass der Staat mehr Unternehmen am Leben gehalten hat, als wenn es keine Krise gegeben hätte. Firmen, die also auch ohne Krise insolvent gegangen wären, haben durch die aus der Krise resultierende Interventionspolitik des Bundes überlebt.

Das sind die sichersten Airlines der Welt: Risikoindex für Fluggesellschaftena

Das Hamburger Flugunfallbüro JACDEC hat die sichersten Airlines der Welt ermittelt. 2022 belegten die Vereinigten Arabischen Emirate den ersten Platz. Der Risikoindex der Fluggesellschaft Emirates beträgt 95,05 Prozent. Aber auch andere Airlines zeigten überzeugende Ergebnisse. (Bildcredit: Getty Images)

Lufthansa: Änderung bei Ferienfluggesellschaften

Bei der Lufthansa ist derweil eine erste Umstrukturierung bekannt geworden. Der Konzern führt mit Edelweiss und Eurowings Discover seine beiden Ferienfluggesellschaften enger zusammen. Zum 1. Oktober 2022 wird der derzeitige Vorstandsvorsitzende von Edelweiss, Bernd Bauer, auch Chef von Eurowings Discover. Das hatte der Konzern am Mittwoch in Frankfurt in einer Pressemitteilung bekanntgegeben.

Ob sich daraus Änderungen für Fluggäste und Beschäftigte ergeben, ist noch nicht abzusehen, wie auch die Auswirkungen des Ausstiegs des Bundes bei Lufthansa noch unklar sind. "Wir merken bei Unternehmen, bei denen der Staat involviert ist, dass sie sich nicht ganz so frei am Markt bewegen können", meint Wambach.

Nach Lufthansa-Rettung: Welche Folgen gibt es für Kunden und Beschäftigte?

"Das ist bei der Bahn und bei Flughäfen so, aber beispielsweise auch bei der schon erwähnten Commerzbank. Manchmal kann es dann bei Ausstiegen zu Restrukturierungen kommen. Das kann für die Mitarbeitenden problematisch sein, aber ein Unternehmen versucht, sich stetig wettbewerblich zu halten und damit letztlich am Kunden auszurichten."

Einen konkreten Anlass zur Sorge gibt es laut dem Experten aber nicht. "Das ist alles sehr abstrakt gesagt. Es gibt bei der Lufthansa keinen konkreten Anlass, in diese Richtung zu argumentieren. Und für Kunden sind auch keine Auswirkungen zu erwarten – abgesehen vom ohnehin spürbaren Personalmangel bei den Fluggesellschaften und Flughäfen, den einige Passagiere ja zuletzt bei gestrichenen Flügen oder Verzögerungen an den Gepäckbändern mitbekamen. Das sind aber Probleme, die nichts mit der öffentlichen Beteiligung an der Lufthansa zu tun haben."

Milliardär Kühne jetzt größter Lufthansa-Aktionär

Als der Bund Ende Juli seinen Anteil am Unternehmen Lufthansa auf weniger als zehn Prozent reduziert hatte, wurde mit dem Hamburger Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne der zweitreichste Mann Deutschlands größter Lufthansa-Aktionär. Kühne hat seine Beteiligung an der Fluggesellschaft weiter aufgestockt und hält nun rund 17,5 Prozent an der Airline, wie eine Sprecherin Kühnes auf Anfrage der Tagesschau erklärte.

"Dies unterstreicht die positive Sicht der Kühne Holding auf das Unternehmen", heißt es von einer Sprecherin laut Reuters. Dass Kühne seinen Anteil weiter aufstocken will, hatte sich bereits im Vorfeld angekündigt. Der 85-Jährige hatte am Dienstagabend laut Handelsblatt erklärt: "Ich hatte kürzlich ein konstruktives Gespräch mit den Vorsitzenden von Aufsichtsrat und Vorstand und habe mich daher der Absicht angeschlossen, bei sich bietenden Gelegenheiten weitere Lufthansa-Aktien zu erwerben."

Diese Gelegenheit hat sich nun ergeben. Der Großaktionär will sich wohl aus dem operativen Tagesgeschäft heraushalten, aber nach Informationen des Handelsblattes einen Sitz im Aufsichtsrat anstreben. Der Kühne-Vertraute Karl Gernandt soll bei der nächsten Hauptversammlung im Mai 2023 in das Kontrollgremium einziehen.

Fluglinienmarkt im Umbruch

Wambach bewertet die Investitionen Kühnes vorsichtig positiv: "Der Fluglinienmarkt steht vor einer gewaltigen Transformation. Wie werden die Flüge in zehn Jahren aussehen? Fliegen wir überhaupt noch? Finden wir eine Alternative für Kerosin? Was sind CO2-freie Alternativen? Diese Transformation ist eine riesige Herausforderung für die gesamte Industrie. Wenn nun ein privater Investor in eine solche Transformation investiert, dann ist das eine positive Sache."

Das Investment Kühnes wird dem Konzern also aller Voraussicht nach guttun. Denn der Ausstieg des Bundes bedeutet nicht, dass das Unternehmen schuldenfrei wäre. Die Staatshilfen sind mitunter durch private Geldgeber zurückgezahlt worden, als die Insolvenzgefahr selbst überwunden war.

Doch schon im Jahr 2020 hatte Lufthansa-Chef Spohr im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung dazu angekündigt: "Wir möchten lieber am Kapitalmarkt verschuldet sein als beim Steuerzahler. "

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Lufthansa gerettet: Unternehmen kann nun wieder freier agieren

Durch die Rückzahlungen kann das Unternehmen nun wieder freier agieren. Denn die Auflagen, die aufgrund des Einstieges des Bundes zu respektieren waren, sind mit dem Verkauf der letzten Aktien weggefallen. Etwaige Beschränkungen von Managervergütungen und Dividendenzahlungen für Anleger fallen weg. Auch die Übernahme ausländischer Fluggesellschaften ist wieder möglich.

Nach dem Ausstieg bei der Lufthansa könnte es nun zum Einstieg des Bundes beim stark angeschlagenen Energiekonzern Uniper kommen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet am Mittwoch, dass sich die Beteiligung auf über 50 Prozent belaufen könnte. Eine Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums dazu steht allerdings noch aus.

Über den Experten: Professor Achim Wambach, PhD, ist Präsident des ZEW - Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und lehrt als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Er gehört dem Wissenschaftlichen Bereit des Bundeswirtschaftsministeriums an und forscht schwerpunktmäßig zu Marktdesign und Wettbewerbspolitik.

Verwendete Quellen:

  • bloomberg.com: Germany Weights Nationalizing Uniper as Energy Crisis Worsens
  • deutsche-finanzagentur.de: WSF beendet Beteiligung an der Lufthansa
  • handelsblatt.com: Kühne will doch mehr Aktien von Lufthansa kaufen
  • lufthansagroup.com: Stabilisierung der Deutschen Lufthansa AG erfolgreich abgeschlossen
  • lufthansagroup.com: Eurowings Discover erweitert Geschäftsleitung
  • nzz.ch: Lufthansa-Chef Carsten Spohr: "Ein Ticket für 9 Euro 99 halte ich für unverantwortlich"
  • tagesschau.de: Bund ist bei Lufthansa raus
  • Telefon-Interview mit Achim Wambach
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