Der deutsche Staat hat so viel Geld zur Verfügung wie lange nicht mehr. Bis 2018 kann der Staat mit insgesamt 19,3 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen. Das teilte das Bundesfinanzministerium nach dreitägigen Beratungen des Arbeitskreises Steuerschätzung mit. Doch wie gut geht es seinen Bürgern? Ist das allgegenwärtige Jammern, den Bundesbürgern gehe es schlecht, gerechtfertigt? Ein Faktencheck.

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Was sagen die wirtschaftlichen Kennzahlen?

Deutschland lag mit seinem Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr weltweit auf Platz 4. Nur in den USA, China und Japan wurde 2013 mehr erwirtschaftet. Eine weitere Stärke Deutschlands ist seine hohe Beschäftigung. Mit 5,1 Prozent hat Deutschland nach Österreich mit 4,9 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote innerhalb der EU.

Das durchschnittliche Medianeinkommen, bei dem besonders hohe und besonders niedrige Einkommen ausgeklammert werden, lag 2012 bei 15.944 Euro. Damit lag Deutschland zwar deutlich über dem EU-Schnitt, aber teils deutlich hinter Staaten wie dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den Ländern Skandinaviens.

Wie zufrieden sind die Deutschen mit ihrem Job?

Laut dem aktuellen Eurobarometer sind 84 Prozent der Deutschen mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden. EU-weit ist das nur bei 77 Prozent der Fall. Fast jeder zweite Deutsche ist allerdings der Ansicht, dass sich die Arbeitsbedingungen in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert haben.

Überdurchschnittlich zufrieden sind die Deutschen derweil mit der Arbeitsbelastung, der Autonomie und den Mitbestimmungsmöglichkeiten in ihrem Unternehmen. Bei der Arbeitszufriedenheit liegen die Deutschen dagegen nur im europäischen Mittelfeld. Jeder Fünfte ist unzufrieden mit Arbeitszeiten und jeder Vierte beklagt eine unausgewogene Work-Life-Balance.

Wie hoch sind die Lebenshaltungskosten?

Das Leben in Deutschland ist im europäischen Vergleich billig. Laut den neuesten verfügbaren Zahlen von Eurostat aus dem Jahr 2011 geben die Deutschen im Jahr 11,5 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke aus - der Durchschnitts-EU-Bürger musste 12,9 Prozent dafür verwenden. Auch die Ausgaben für Tabakwaren und Kleidung liegen mit 1,7 Prozent und 4,1 Prozent unter dem EU-Schnitt.

Ausgaben für alkoholische Getränke entsprechen mit 1,5 Prozent dem europäischen Durchschnitt – und das, obwohl die Deutschen laut WHO mengenmäßig mehr trinken als die meisten ihrer Nachbarn. Leicht über dem EU-Schnitt liegen die Transportausgaben von 13,9 Prozent und die Ausgaben für Freizeitaktivitäten über 9 Prozent. Besonders für den Erwerb von motorisierten Fortbewegungsmitteln geben die Deutschen überdurchschnittlich viel Geld aus. Und das obwohl die Spritpreise mit aktuell rund 1,60 Euro gute 10 Cent über dem EU-Mittelwert liegen.

Wie teuer ist Wohnen in Deutschland?

Deutschland ist ein Land der Mieter. Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank aus dem vergangenen Jahr leben 55,8 Prozent der Deutschen in einer Mietwohnung. In anderen EU-Ländern besitzen dagegen viel mehr Menschen ein Eigenheim: 58 Prozent sind es beispielsweise in Frankreich und 83 Prozent in Spanien. Ein Grund für den hohen Anteil der deutschen Mieter: abgesehen von Ausnahmen wie München, Frankfurt und Hamburg liegen die Mieten hierzulande auf vergleichsweise tiefem Niveau.

Für Miete, Nebenkosten und Strom gibt der Deutsche mit 24,2 Prozent nur 0,4 Prozentpunkte mehr aus als der Durschnitts-EU-Bürger. Während die Mieten also günstiger sind als in Ländern wie etwa Frankreich oder dem Vereinigten Königreich, wenden die Deutschen mit 4,6 Prozent etwas mehr für Strom und Gas auf als ihre europäischen Nachbarn. Laut der Bundesregierung steigt hierzulande außerdem die Zahl der Haushalte, die mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie berappen müssen, drastisch.

Wie geht es den Deutschen im Alter?

"Länger arbeiten, mehr sparen", so lautet die Formel für zukünftige Rentner in den meisten Industrieländern. Das schreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Ende vorigen Jahres veröffentlichten Bericht "Renten auf einen Blick". Die Studie beschäftigte sich erstmals mit drei Faktoren, die den Lebensstandard im Alter beeinflussen: Immobilienbesitz, Finanzvermögen und staatliche Leistungen.

Während das Finanzvermögen hierzulande ungleich verteilt sei, profitiere mit 50 Prozent auch nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Rentner von einer eigenen Immobilie, im OECD-Schnitt sind es 76 Prozent. Besonders kritisch betrachtet die Organisation die Situation der deutschen Geringverdiener. Diese erhalten als Rentner weniger als in allen anderen OECD-Ländern.

Fazit

Deutschland hat nach wie vor eine beachtliche Wirtschaftsleistung vorzuweisen, die meisten Arbeitnehmer sind mit ihrer Arbeit überdurchschnittlich zufrieden und erhalten dafür mehr Geld als die meisten anderen Europäer. Auch die Mietpreise und die Lebenshaltungskosten sind im europäischen Vergleich niedrig.

Künftig Probleme bereiten könnte dagegen die Altersarmut. Hier kommen laut OECD gleich mehrere Schwächen des deutschen Systems zu tragen: die ungleichmäßige Verteilung von Vermögen und Immobilienbesitz in Verbindung mit teils sehr niedrigen Renten und steigenden Energiepreisen.

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