Die PKW auf deutschen Straßen werden immer größer. Viele Hersteller lassen ihre Klein- und Kleinstwagenmodelle auslaufen und setzen stattdessen voll und ganz auf das Premiumgeschäft. Doch warum werden Kleinwagenkunden einfach übergangen? Und was bedeutet das für die Städte?
Kleine Autos sind sparsamer, umweltfreundlicher und oft praktischer, zum Beispiel bei der Parkplatzsuche. Doch Kleinwagenfans, die sich einen Neuwagen zulegen möchten, bekommen immer öfter Probleme. Denn es gibt schlicht immer weniger der kleinen Flitzer.
Eingestellt wurde zum Beispiel der VW up!-Benziner. Ähnlich erging es weiteren Vertretern aus der Volkswagen-Gruppe wie dem Škoda Citigo oder dem Seat Mii. Den Opel Adam gibt es längst nicht mehr, ebenso wenig wie den Ford Ka. Und nach acht Generationen lief im Juni 2023 auch der letzte Ford Fiesta vom Band.
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Der Audi A1 ist zwar noch auf dem Markt, aber ein Nachfolger ist nicht geplant. Und selbst der Smart, einst der Mini-Stadtflitzer par excellence, hat sich inzwischen in einen Elektro-SUV verwandelt.
"Das Alte geht, Neues kommt", lautet der lapidare Kommentar eines Sprechers von Ford auf Anfrage. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn hinter dem Kleinwagensterben steckt ein knallharter Konkurrenzkampf. Und der geht auch zulasten der Kunden.
Elektrifizierung und Euro 7: Das sind die Gründe für das Kleinwagensterben
Von den 280.139 Personenkraftwagen, die im Juni 2023 zugelassen wurden, waren SUVs mit 31,4 Prozent das mit Abstand stärkste Segment. Das zeigen Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes. Kleinwagen machen gerade mal 11,4 Prozent aus.
Die Hersteller führen meist drei Gründe dafür an, dass sie immer weniger auf das Kleinwagensegment setzen: Zum einen ist da die Elektrifizierung. Und die damit einhergehende Angst, dass in kleinen Fahrzeugen nicht genügend Platz für reichweitenstarke Batterien sei.
Ein weiterer Punkt ist die Euro-7-Abgasnorm. Durch die Verschärfung der Grenzwerte und des Messverfahrens werden kleinere Autos überproportional teurer in der Produktion. "Die Entwicklung der Autos wird sich dramatisch verändern, denn durch die Euro 7 wird alles teurer", sagt ein Sprecher von Audi auf Anfrage.
Die Europäische Kommission spricht allerdings nur von einer Preissteigerung unter 1 Prozent. "Die Kosten pro Auto werden auf 90 bis 150 Euro pro Fahrzeug geschätzt, das heißt auf weit weniger als 1 Prozent des durchschnittlichen Fahrzeugpreises in der EU, während der soziale Nutzen fünfmal höher sein wird", heißt es in einer Pressemitteilung der Kommission.
Eine Expertin analysiert: Autohersteller extrem unter Druck
Schließlich kommt als dritter Punkt die EU-Verordnung von 2022 hinzu, nach der diverse Sicherheitskomponenten zur Pflicht wurden. Dazu gehört etwa die intelligente Geschwindigkeitsassistenz (ISA). Der Hauptgrund für die SUV-isierung dürfte jedoch wesentlich profaner sein: Die Margen sind bei den Riesenautos wesentlich lukrativer.
"Die Branche ist extrem unter Druck", sagt Beatrix Frisch vom Center Automotive Research (CAR) im Gespräch mit unserer Redaktion. Nicht nur durch die Umstellung auf Elektroantrieb, sondern auch durch neue Konkurrenz, etwa aus China. Deshalb stellten sich die Hersteller die Frage, was sich noch rentiere.
Momentan seien vor allem die neuen Modelle zwar noch profitabel, aber der Innovationsdruck binde Ressourcen. Etwa wenn es darum geht, neue Antriebsmodelle zu entwickeln. Deshalb gäbe es den Trend zu weniger Komplexität. Heißt zum Beispiel weniger individuelle Konfigurierung, mehr Paketangebote.
SUV first: Warum Kleinwagen unter dem Rohstoffmangel leiden
Dabei spielen sicher auch die Rohstoffengpässe durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg eine Rolle. Lange Wartezeiten treiben die Preise in die Höhe, und oftmals gehen wichtige Komponenten zuerst an die dicken Margenbringer.
Beatrix Frisch vermisst neue Konzepte für die Mikromobilität. Und verweist auf den Misserfolg des Smart. "Der Smart war einst der Rebell der Straße", sagt Frisch. "Doch das kleine Konzept rentiert sich nicht." Finanziell war der Smart für Mercedes tatsächlich ein Flop. Das Joint-Venture mit dem chinesischen Autohersteller Geely hat die Marke zwar gerettet. Doch dabei wurde auch das Konzept des einstigen Miniautos völlig auf den Kopf gestellt.
Frisch betont, dass sich Trends in der Stadtentwicklung auf das Design der Autos auswirken. "Die individuelle Automobilität wird aus der Stadt gedrängt", erklärt Frisch. Dass diese Konzepte bereits funktionieren, zweifelt die Autoexpertin allerdings an.
Der Raum wird knapp: Städte setzen auf weniger Autos
Wie sieht es also aus in den Städten? "Deutlich weniger Autos, mehr Raum für die Menschen, mehr Grün, eine höhere Aufenthaltsqualität", formuliert etwa die Stadt Hannover ihre Zukunftsvision. Hamburg wiederum verfolgt das Ziel, "die Innenstadt städtebaulich weiter aufzuwerten", sagt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage. Man wolle mehr Raum für den Fuß- und Radverkehr schaffen und "die Innenstadt weiter verkehrlich beruhigen und autoarm gestalten."
Wie das funktioniert, kann man bereits auf Hamburgs Prachtmeile, dem Jungfernstieg, beobachten. Der ist seit 2020 weitgehend autofrei. Und auch die Fahrradwege in Hamburg werden deutlich breiter.
Weniger Platz für immer größere Autos – kann das funktionieren? "In den Städten ist der Platz nicht mehrbar", sagt Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), unserer Redaktion. Und gerade Hamburg sei dafür ein gutes Beispiel. Dort habe die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge zugenommen, obwohl die gefahrenen Kilometer abgenommen hätten. Doch Autos brauchen eben auch Platz, wenn sie nicht fahren.
Wenig Raum für große Autos: Wie lassen sich Alternativen stärken?
In Berlin etwa dienen 58 Prozent der Verkehrsfläche dem motorisierten Individualverkehr, so der VCD. Allein 19 Prozent dieser Fläche sind Parkplätze. Und während die Autos immer breiter und höher werden, wachsen die Parkplätze nicht mit. "Das System Auto kannibalisiert sich selbst", sagt Müller-Görnert.
Der fehlende Platz ist dabei nur eines der Probleme, das die SUVs mit sich bringen. Denn die Autoriesen haben meist ein eingeschränktes Blickfeld und dazu noch längere Bremswege. Die Unfallwahrscheinlichkeit steigt. Und dabei bringen die tonnenschweren Ungetüme besondere Gefahren mit sich – egal ob für Fußgänger, Radfahrer oder auch Kleinwagen.
Müller-Görnert fordert, Alternativen zu stärken. Allerdings fehle dazu der politische Wille. "Ein wichtiger Schritt wäre, dass man die Besteuerung der Autos ändert." Dazu schlägt er eine Art Kaufsteuer vor, die nach CO2-Ausstoß gestaffelt ist. Solche Steuern sind in anderen Ländern – etwa in Finnland oder den Niederlanden – bereits üblich. Die Folge: Die CO2-Emissionen und die Verbräuche sind dort deutlich geringer.
Parkgebühren in Deutschland sehr niedrig
Als zweite Maßnahme nennt Müller-Görnert höhere Parkgebühren. "Der Straßenraum ist zu knapp, als dass man da Blech abstellt." Auch hier ist Deutschland im internationalen Vergleich relativ günstig. Darüber hinaus empfiehlt Müller-Görnert, die Dienstwagenbesteuerung nach CO2 zu staffeln. "Als Dienstwagen wählt man sich ein größeres Auto – einfach, weil es so günstig ist."
Noch hält der Trend zu immer größeren Autos an. Doch insbesondere die Entwicklungskonzepte in den Großstädten könnten ein Umdenken bringen. Attraktive Alternativen sind gefragt, wie Michael Müller-Görnert betont: "Wir brauchen nicht nur kleinere, sondern auch weniger Autos."
Verwendete Quellen:
- Interview mit Beatrix Frisch
- Interview mit Michael Müller-Görnert
- Anfrage bei Audi
- Anfrage bei Ford
- Anfrage bei der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende der Stadt Hamburg
- Pressemitteilung Kraftfahrt-Bundesamt: Fahrzeugzulassungen im Juni 2023 - Halbjahresbilanz (5. Juli 2023)
- Autohaus.de: Weniger Kleinwagen: Warum Autobauer beim Angebot knausern
- Pressemitteilung Europäische Kommission: Neue Abgasnorm Euro-7: Saubere Luft und erschwingliche Autos (9. Februar 2023)
- Hannover.de: Stadt der Zukunft. Rat Hannover bringt Innenstadtkonzept auf den Weg
- Pressemitteilung VCD Verkehrsclub Deutschland e.V.: Flächengerechtigkeit. Mehr Raum für rollende Riesen? Sollten Parkplätze immer größer werden? (6. März 2023)
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